Diakonie feierte 150-jähriges Bestehen mit Festsymposium

 
von Evangelischer Pressedienst

Schmidauer: „Unverzichtbarer Beitrag für Zusammenhalt“ – Hacker: Niemanden zurücklassen – Buyx: Für einander da sein

Wien (epdÖ) – Mit einem Festsymposium feierte die Diakonie ihr 150-jähriges Jubiläum. „Aufeinander zugehen“ – das Motto des Jubiläumsjahres – sei „wichtiger denn je“, betonte Diakoniedirektorin Maria Katharina Moser bei dem Symposium am Donnerstag, 3. Oktober, im Wiener Rathaus. Gekommen waren rund 300 Personen, darunter Vertreter:innen der Politik, des öffentlichen Lebens und der Kirchen ebenso wie Mitarbeiter:innen und Klient:innen der Diakonie. „Wir wollen dieses Jubiläum inklusiv feiern“, sagte Moser, daher „sind auch unsere Klient:innen heute die Hauptpersonen“.

„Die Diakonie zeigt, wie Inklusion geht und dass Inklusion eine Bereicherung für uns alle ist“, konstatierte First Lady Doris Schmidauer. Die Diakonie sorge dafür, dass „Notlagen nicht übersehen und konkrete Hilfe angeboten wird“. Hoffnung und Zuversicht stehe nicht nur auf den Plakaten der Diakonie, „sondern die spüre ich auch in den Begegnungen mit Menschen, die in der Diakonie arbeiten, oder bei jenen Menschen, für die die Diakonie da ist“, sagte die Ehefrau des Bundespräsidenten, dessen dichte innenpolitische Agenda nach den Wahlen die vorgesehene Rede beim Festsymposium verhindert hatte. Weil es auch entsprechende Rahmenbedingungen brauche, erhebe die Diakonie ihre Stimme in sozialpolitischen Fragen. „In der Präsidentschaftskanzlei stehen wir in regelmäßigem Austausch mit der Diakonie und schätzen die sozialpolitische Expertise ebenso wie konkrete Lösungsvorschläge“, sagte Schmidauer. Die Diakonie leiste einen „unverzichtbaren Beitrag für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft, dafür danke ich auch im Namen meines Mannes“.

„In Wien wollen wir niemanden zurücklassen“, betonte der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker. Dieser Grundsatz sei „kein parteipolitisches Lippenbekenntnis, sondern Konzept für das Zusammenleben von zwei Millionen Menschen“. Der Diakonie dankte Hacker, dass sie an dieser Idee seit vielen Jahrzehnten mitarbeite. Um lebenswerteste Stadt der Welt zu sein, brauche es genau diese Kategorien des sozialen Zusammenlebens. Die Diakonie sei in ihrer Geschichte stark gewachsen und habe in ganz Österreich zunehmende Bedeutung gewonnen, sie sei ein „wichtiger, wesentlicher und nicht mehr wegzudenkender Baustein“ in der Gestaltung des Zusammenlebens, unterstrich der Stadtrat.

Klient:innen über ihre Erfahrungen

An 37 Tischen erzählten beim Symposium Klient:innen und Mitarbeiter:innen der Diakonie von ihren Erfahrungen. Sandra (27) etwa arbeitet seit neun Jahren beim Kulinarium in Kitzbühel. Diese Einrichtung des Diakoniewerks beliefert z.B. Firmen und Schulen mit Mittagstischen und bietet auch Caterings für Veranstaltungen. Menschen mit Behinderung erhalten hier die Möglichkeit mitzuarbeiten und ihre Fähigkeiten einzubringen. Mariella wiederum kam 1990 als Migrantin aus Bulgarien nach Österreich. Nach Stationen in der Privatwirtschaft lernte sie „AmberMed“ kennen, arbeitete zuerst ehrenamtlich mit und leitet seit 2019 die Einrichtung. In diesem Gesundheitszentrum, das kürzlich sein 20-Jahr-Jubiläum feierte, erhalten Menschen ohne Versicherung medizinische Hilfe. 62 Ärzt:innen bringen sich dort ehrenamtlich ein und betreuen 40 bis 60 Patient:innen pro Tag, ein nachhaltiges Engagement, von dem sich auch Mariella stark beeindruckt zeigt.

Medizinethikerin: Zugehörigkeit gegen Ausgrenzung

Als Festrednerin war Alena Buyx geladen, konnte krankheitsbedingt jedoch nur per Videoschaltung am Diakonie-Symposium teilnehmen. Die Medizinethikerin, die bis April dieses Jahres Vorsitzende des Deutschen Ethikrats war, kam auf gesellschaftliche Herausforderungen zu sprechen, die meist „unter dem Radar“ liegen und nicht die nötige Aufmerksamkeit „wie Krieg oder Klimakrise“ erhalten. Die psychische Gesundheit der jungen Generation leide weit über Europa hinaus „in einem Ausmaß, das wir so noch nicht kennen“, sagte die Wissenschaftlerin. Dieser Befund treffe auf eine massive Unterversorgung, die junge Generation wachse hinein „in eine Zeit der großen Unsicherheit, der Blick in die Zukunft ist für viele nicht von Hoffnung, sondern von Angst und Sorge geprägt“. Als zweite große Herausforderung sieht Buyx die zunehmende Polarisierung in öffentlichen Debatten, obwohl „grundsätzliche Wertvorstellungen der Menschen oft gar nicht so weit voneinander entfernt sind“. Zudem schlage der Wissenschaft Skepsis entgegen. „Eine gefährliche, fatale Situation“, befand die Medizinethikerin, denn Wissenschaft sei „wesentliches Fundament unseres Gemeinwesens und Fortschritts“. Die zunehmende Vereinzelung und Einsamkeit sei mittlerweile einer der stark unterschätzten Krankheitsfaktoren, „Menschen verlernen die Praxis des täglichen Miteinanders“, führte Buyx weiter aus. Deutlich kritisierte die Wissenschaftlerin die schleichende Abwertung von schwachen Gruppen und Angriffe auf die Menschenwürde. Ausgrenzungen, Schuldzuweisungen und Sündenbockphänomene machten es Populisten leicht. Gesamtgesellschaftlich ortet Buyx eine „Krise der Zugehörigkeit“, wenn das Miteinander verloren gehe. Dagegen helfe, zeigte sich Buyx überzeugt, „für einander da sein“, das im Alltag gelebt werde, und das „auch uns selber gut tut“. „Wir brauchen das lebendige Ehrenamt, den lebendigen sozialen Sektor“, sagte die Wissenschaftlerin.

Bischof Chalupka: Alle mit gleicher Würde geboren

Mit „Hoffnungsträger:innen“ kam abschließend der evangelisch-lutherische Bischof und frühere langjährige Diakoniedirektor Michael Chalupka ins Gespräch. „Was mir Hoffnung macht, ist, dass wir alle mit gleicher Würde geboren sind und dass mit jedem von uns ein Neuanfang möglich ist“, erklärte der Bischof. Startup-Unternehmerin Helene Fritsch, die 15 Jahre lang von einer Schulassistenz im Diakoniezentrum Spattstraße begleitet wurde, berichtete von ihren Erfahrungen, „wenn jeder einen Beitrag zur inklusiven Welt leistet, sind wir dieser bald einen Schritt näher“, so die junge Unternehmerin. „Ich hoffe auf eine Welt, in der jeder Mensch er selbst sein kann“, sagte Mika Moser, Schulsprecherin des Evangelischen Realgymnasiums Donaustadt. Dort wird ebenso wie in Grödig bei Salzburg eine inklusive Oberstufe angeboten, diese brauche es österreichweit, bekräftigte der Bischof, „eine Forderung, die seit Jahren erhoben wird“. „Hoffnung ist für mich wie ein Lächeln“, sagte Majed Kabbani. Er kam als Flüchtling 2015 nach Österreich, heute arbeitet er als Pfleger in einer Einrichtung der Diakonie in Oberwart.

Moderiert wurde das Festsymposium von Omar Khir Alanam. Der nunmehrige Autor, Kabarettist und Dancing Star war ebenfalls vom Krieg in Syrien nach Österreich geflohen. Er betonte die Wichtigkeit der Sprache, „die verbindet oder trennt“. Interventionen kamen beim Symposium unter anderem von der Theatergruppe „Malaria“ des Diakoniewerks, die seit 30 Jahren auf Inklusion setzt. Zu hören war auch die „Menschenrechte-Band“ der POP-Akademie der Johann Sebastian Bach Musikschule sowie ein Bläserensemble.

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