Der Weg der Opfer
Michael Chalupka über das zweite Gebot
Blumen und Kerzen machen die Orte der schrecklichen Tat zu Orten des Gedenkens. Immer wieder kommen Wienerinnen und Wiener vorbei und entzünden eine Kerze oder legen eine Rose nieder. Auch wir, die Vertreter der Religionen in Österreich, der jüdischen Gemeinde, der muslimischen Gemeinschaft, der christlichen Kirchen und vieler anderer Religionsgemeinschaften, sind den Weg der Opfer abgeschritten, haben gebetet und versucht, die Gefühle der Trauer, des Widerstandes, ja auch der Wut über so viel Gewalt auszudrücken, aber die Gefühle des Hasses nicht aufkommen zu lassen. Wien hält zusammen! Und die Menschen, gläubig oder säkular, halten auch zusammen. Für gläubige Menschen ist es schrecklich, wenn sich ein radikalisierter Mörder bei seiner Tat auf Gott beruft.
Das zweite der zehn Gebote lautet: „Du sollst den Namen Gottes nicht missbrauchen!“ Im Namen Gottes Menschen zu ermorden, ist Gotteslästerung. Darin sind sich alle Religionen, die der Opfer gedachten, einig. Das haben wir aus der Geschichte, in der viele schuldig geworden sind, gelernt.
Ziel des Terrors ist es, die Menschen in einem Land zu spalten und gegeneinander aufzuhetzen. Dieses Ziel darf nicht erreicht werden. Wir gehen weiter konsequent den Weg der gegenseitigen Achtung und Wertschätzung zwischen den Religionen und Weltanschauungen. Denn dieser Weg schützt vor der Saat der Gewalt, die der Terror streuen will.