Chalupka: „Wenn uns ältere Menschen nichts wert sind können wir den Sozialstaat zusperren.“

 
von Evangelischer Pressedienst

Evangelisch-lutherischer Bischof spricht im Ö1-Magazin „Saldo“ über Ethik und Verantwortung in der Wirtschaft

Wien (epdÖ) – Für eine „bedürfnisgerechte Wirtschaft, die im Maße des Menschen ist und die Menschenrechte universell sieht“ hat sich der evangelisch-lutherische Bischof Michael Chalupka ausgesprochen. Im Ö1-Wirtschaftsmagazin „Saldo“ vom Freitag, 17. Dezember, betonte er: „Wir Kirchen sind für Utopien zuständig.“ Das wichtigste sei dabei, die Welt als Ganzes zu sehen. Die Gesellschaft habe sich daran gewöhnt, Wirtschaft, Menschenrechte, soziales Zusammenleben rein nationalstaatlich zu denken. All diese Fragen müssten jedoch global behandelt werden, wie sich etwa im Fall der Corona-Impfung zeige. „Die Europäische Union versucht hier einen rechtlichen Rahmen, aber auch der wird unterlaufen und erodiert. In der UNO braucht es schärfere Instrumente, um globale Besteuerungen, Regelungen, Rahmenbedingungen durchzusetzen.“

„Privatisierung der Menschenrechte“

Die Gesellschaft habe sich in den letzten Jahrzehnten zusehends individualisiert und einen Wir-Begriff entwickelt, „bei dem wir uns gegen andere abgegrenzt haben“. Das führe zu einer Privatisierung der Menschenrechte, wie sich in der Betonung des individuellen Freiheitsrechts in der Impfdebatte zeige. „Wir sind an einem Punkt, wo man erkennt, dass es mit dieser bewussten Polarisierung der Gesellschaft auf Kosten anderer nicht mehr weitergeht.“ Die Wirtschaft müsse dabei dem Nächsten nicht nur nicht schaden, sondern vielmehr dienen.

Evangelische Kirche will Vorreiter im Klimaschutz sein

In Sachen Klimaschutz wolle die Evangelische Kirche, die im Advent das „Jahr der Schöpfung“ gestartet hat, Vorreiter sein, etwa in der Bewusstseinsarbeit, aber auch mit einem eigenen Klimaschutzkonzept. Die Staaten müssten das, worauf sie sich im Pariser Klimaabkommen von 2015 geeinigt haben, in Gesetze gießen und diese einhalten. Im jüngsten Klimaschutzpaket der Bundesregierung vermisst Chalupka einen Bonus für Menschen, die in Armut leben. Auch sei die CO2-Bepreisung mit 30 Euro pro Tonne zu niedrig angesetzt.

In der Pandemie habe sich der Sozialstaat bewährt, insofern, als nicht noch mehr Menschen in die Armut abgerutscht seien. Die von Armut Betroffenen seien jedoch noch ärmer geworden. Die Zeit der Krise sieht er daher als „Zeit der Investition“. Besonders müsse man über unbezahlte Care-Arbeit wie Pflege oder Kinderbetreuung nachdenken. Insbesondere fordert Chalupka eine „seit Jahren, wenn nicht seit Jahrzehnten versprochene Pflegereform“ ein. Es brauche einen Ausbau bedarfsgerechter Modelle der Pflege. Derzeit seien diese oft nicht leistbar oder in manchen Bundesländern gar nicht vorhanden. Ob sich das finanzieren lasse sei eine Frage der Prioritäten: „Wenn uns eine älter werdende Gesellschaft und ältere Menschen das nicht wert sind, dann können wir den Sozialstaat zusperren.“

Das ganze Interview können Sie hier nachhören: https://radiothek.orf.at/oe1/20211217/663020

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