BOKU-Forscherin Hintze: „Wir brauchen eine Transformation des Ernährungssektors“

 
von Evangelischer Pressedienst

Nachhaltigkeitsexperte Schader: Biolandwirtschaft nur Teil der Lösung

Wien (epdÖ) – Eine Transformation des weltweiten Ernährungssystems hält Nutztierwissenschaftlerin Sara Hintze für unumgänglich. Im Rahmen einer Online-Veranstaltung zu den Umweltfolgen von Landwirtschaft und Ernährung am Montag, 14. März, betonte Hinze, die an der Wiener Universität für Bodenkultur (BOKU) lehrt und forscht: „Wir müssen weniger Lebensmittel tierischen Ursprungs zu uns nehmen und weniger wegwerfen. Wichtig ist auch, das, was wir selbst essen könnten, nicht an Tiere für die Fleischproduktion zu verfüttern.“ Die Österreicherinnen und Österreicher essen aktuell über 60 Kilogramm Fleisch pro Kopf und Jahr. Daran habe sich auch in den letzten Jahren wenig geändert, weltweit steige der Fleischkonsum sogar. Auch trinke jede Person in Österreich jährlich 75 Liter Milch (ohne Milchprodukte wie Käse) und esse 236 Eier. Das bedinge einen großen Ressourcenverbrauch und habe starke Auswirkungen auf die Umwelt, so Hintze. Denn um ein Kilogramm tierisches Protein zu erzeugen sei oft ein Vielfaches an pflanzlichem Protein als Futtermittel nötig.

Zwei Drittel des weltweiten Ackerlandes stünden daher nicht für den Anbau von Lebensmitteln für Menschen zur Verfügung, sondern für Futterpflanzen für Tiere. Aufgrund der weltweit wachsenden Nachfrage steige auch der Flächenbedarf weiter an, Grasland oder Regenwald würden zu Äckern umgewandelt. „Das ist problematisch für die Biodiversität, aber auch für den Klimawandel, denn im Boden ist sehr viel CO2 gebunden.“ Insgesamt mache die Ernährung 15 bis 31 Prozent der Treibhausgasemissionen aus. Ohne einen Strukturwandel hin zu weniger Fleischkonsum würde dieser Anteil noch massiv ansteigen.

Schader: Weniger Futtermittelanbau und geringere Abfallproduktion entscheidend

Das beobachtet auch Christian Schader vom schweizerischen Forschungsinstitut für biologischen Landbau in Frick. „Ab einem gewissen Punkt bringt man ein Ökosystem aus seinem Gleichgewicht, das danach nicht mehr herstellbar ist. Wir müssen etwas tun, um in unsere Grenzen zurückzukommen“ – das aber so, dass eine Verkleinerung des Wirtschaftssystems nicht zu sozialen Verwerfungen führe. Schader beleuchtete die Frage, ob biologische Landwirtschaft eine Möglichkeit darstelle, die Umweltprobleme der Nahrungsmittelindustrie zu lösen und gleichzeitig Ernährungssicherheit für eine wachsende Weltbevölkerung zu schaffen. Sein Fazit: Bio-Landwirtschaft allein werde den Spagat nicht bewältigen. Denn deren Produktivität sei geringer als die der konventionellen Landwirtschaft – was wiederum einen größeren Flächenverbrauch nach sich ziehe. Daraus werde häufig die Schlussfolgerung gezogen, es gelte die Produktivität durch den Einsatz von mehr Kraftfutter zu steigern, also Pflanzen wie Mais oder Soja, die dann nicht für Menschen zur Verfügung stehen.

Im Kampf gegen den Klimawandel könne Biolandwirtschaft aber sehr wohl eine Rolle spielen – dann nämlich, wenn sie mit anderen Maßnahmen kombiniert werde, etwa der Reduktion des Futtermittelanbaus für Tiere und der Verminderung von Nahrungsmittelabfällen. Ein großes „Aber“ lässt Schader dennoch stehen: Kommt es durch den Klimawandel zu starken Temperaturanstiegen, werde trotz aller dieser Maßnahmen der Bodenverbrauch weiter ansteigen. „Denn dann müssen wir mit hohen Ertragseinbußen sowohl in der biologischen als auch der konventionellen Landwirtschaft rechnen.“

Die Veranstaltung mit anschließender Diskussion fand im Rahmen der Vortragsreihe „Klimaschutz und Klimawende“ statt, einer Kooperation von Evangelischer Kirche und „Scientists for Future“ im „Jahr der Schöpfung“.

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