Bischof Bünker: Religion nicht für politische Zwecke missbrauchen
Kritik an Kurz-Auftritt bei „Awakening Austria“ – Hennefeld: Von Fitzgerald trennen uns Welten – Offener Brief von Geist und Mandl
Wien (epdÖ) – Am christlichen Großevent, das unter dem Titel „Awakening Austria“ in der Wiener Stadthalle am Sonntag, 16. Juni, zu Ende gegangen ist, war die Evangelischen Kirche in Österreich nicht beteiligt, hält der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker zur Vermeidung von Missverständnissen fest. Zum Veranstalter aus dem freikirchlichen und charismatischen Raum, der Organisation „Awakening Europe – Initiative zur geistlichen Erneuerung Europas in Christus“, gebe es keine offiziellen Verbindungen, so der Bischof. Bei dem Großevent war unter anderem Altkanzler Sebastian Kurz im Zuge seiner Wahlkampftour aufgetreten. Der evangelikale Prediger Ben Fitzgerald hatte nach dessen Rede die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dazu aufgerufen, für Kurz zu beten.
Es sei „selbstverständlich“, so Bischof Bünker, „dass wir für alle politischen Amtsträgerinnen und Amtsträger beten. Die Bibel beauftragt uns, sie ins Gebet zu nehmen.“ Dabei sei jedoch die Unterscheidung von Religion und Politik wichtig, sie entspreche der lutherischen Zwei-Reiche-Lehre. „Es muss der Eindruck vermieden werden, dass dadurch einseitig Stellung genommen wird“, warnt der Bischof. Religion dürfe nicht für politische Zwecke missbraucht werden.
Hennefeld: „Evangelikal ist nicht evangelisch“
Der reformierte Landessuperintendent und Vorsitzende des Ökumenischen Rats der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ), Thomas Hennefeld, hielt in einer Aussendung vom Dienstag, 18. Juni, fest: „Evangelikal ist nicht evangelisch.“ Die evangelisch-reformierte Kirche vertrete Grundhaltungen, „die in scharfem Kontrast zu jenen des Predigers Ben Fitzgerald stehen“, der den Segen für Kurz vorgenommen hatte. So spreche man sich unter anderem schon seit langem gegen ein gesetzliches Abtreibungsverbot aus und segne und traue Homosexuelle, „was für Herrn Fitzgerald die Sünde schlechthin“ sei. Auch der ÖRKÖ hätte mit der als „Ökumene-Event“ bezeichneten Veranstaltung nichts zu tun gehabt. „Nicht alle Evangelikalen sind Fundamentalisten und Fanatiker. Aber von dem christlichen Prediger, der in der Stadthalle seine Geistershow abzog, trennen uns Welten“, so Hennefeld.
Geist und Mandl: Unverblümte Zuwendung von Parteipolitik, Freikirchen und Römisch-katholischer Kirche
Der Wiener evangelische Superintendent Matthias Geist und Superintendentialkuratorin Petra Mandl halten in einem offenen Brief fest, die Wiener Kirchenleitung sei zu der Veranstaltung weder eingeladen noch angefragt worden oder anderweitig eingebunden gewesen. „Wir finden es erschreckend, dass es dem Spitzenvertreter einer sich im Wahlkampf befindenden Partei ermöglicht wurde, die große Bühne Ihrer Veranstaltung für Werbezwecke zu missbrauchen“, schreiben sie in dem mit 18. Juni datierten Brief. Es bleibe nicht verborgen, „wie unverblümt sich Parteipolitik und Vertreter von Freikirchen und der Römisch-katholischen Kirche einander zuwenden“. Die „oft bemängelte offizielle Ökumene“ hätte klare Ziele formuliert: „Frieden in dieser Welt, versöhnte Verschiedenheit mit anderen religiösen Traditionen, Gerechtigkeit und Humanität sowie vor allem die Bewahrung der einen Schöpfung zu suchen und zu verkünden.“ In diesem Sinne sei man gerne bereit, Ökumene zu leben. Den Volltext des Briefes finden Sie unter www.evang-wien.at.
Moser: „Gebet als Wahlwerbung wäre Missbrauch des Gebets“
Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser hatte bereits am Sonntag in einer Kurznachricht auf Twitter festgehalten: „Die Kirchen sollten sich hüten, sich vor den parteipolitischen Karren spannen zu lassen, egal welcher Partei. Für andere beten ist gut – aber es darf nicht der Eindruck erweckt werden, dass das Gebet der Wahlwerbung dient, das wäre Missbrauch des Gebets.“ Caritas-Direktor Michael Landau erinnerte auf Twitter an das Gebot des Matthäus-Evangeliums, im Privaten zu beten („Du aber geh in deine Kammer, wenn du betest, und schließ die Tür zu“). „Von Stadthalle steht da nichts.“, schrieb Landau.