Biomedizinischer Durchbruch: Synthetische Embryonen

 
von Evangelischer Pressedienst

Bioethiker Körtner über die ethischen Implikationen

Wien (epdÖ) – Von einem „biomedizinischen Durchbruch“ war nicht nur in der Fachwelt die Rede, als eine internationale Forschergruppe kürzlich bekannt gab, künstliche Embryonen ohne Verwendung von Keimzellen erschaffen zu haben. Keimzellen von Mäusen, die ganz ohne Ei- und Samenzellen auskommen und auch keine Gebärmutter brauchen, reiften bis zur mittleren Schwangerschaft und entwickelten Gehirn, Herz und Darm.

Der Bioethiker und systematische Theologe Ulrich Körtner skizziert in einem Gastbeitrag auf orf.at die Folgen dieser Forschungen. So sei das Potential hoch, dass „synthetische Embryonen für die Erforschung der embryonalen Entwicklung, der Entstehung von Krankheiten in frühen Entwicklungsstadien“, eingesetzt werden. Zudem könnten die synthetischen Embryonen „künftig auch in der Arzneimittelforschung eingesetzt werden und als Alternative zu Tierversuchen dienen“. Auch richten sich Hoffnungen darauf, aus synthetischen Embryonen Gewebe für Organtransplantationen zu gewinnen.

Welchen Status haben künstlich erschaffene Embryonen?

Es ist für den Ethiker „keine Frage“, ob die Ergebnisse der vorliegenden Studien „irgendwann auch auf den Menschen übertragen werden“. Die Frage laute lediglich, „wann dies geschehen wird, in welchem Umfang und in welchem rechtlichen Rahmen“. Dazu sei unter anderem zu klären, „welchen ontologischen, rechtlichen und moralischen Status synthetische Embryonen im Vergleich zu herkömmlichen, aus Ei- und Samenzellen erzeugten Embryonen haben“. So sei bisher schon ethisch und weltanschaulich strittig bei herkömmlichen Embryonen, die in vitro erzeugt werden, ob ihnen Menschenwürde zukomme oder nicht: „Müsste, wer diese Frage bejaht, das Gleiche auch von synthetischen Embryonen sagen? Dann wären die Erzeugung und Beforschung synthetischer menschlicher Embryonen kategorisch abzulehnen. Wie fallen die Antworten aus, wenn man biologisch klare Indikatoren dafür hat, dass synthetische Embryonen bei aller weitreichenden Ähnlichkeit doch von anderer Art als Embryonen sind, die aus Keimzellen entstanden sind?“

Die bestehenden Gesetze reichen, so Körnter, „als Regelwerk für die Forschung an synthetischen menschlichen Embryonen kaum aus“, vermeide das österreichische Fortpflanzungsmedizingesetz (FMedG) doch den Begriff „Embryo“ und spreche stattdessen von „entwicklungsfähigen Zellen“. Und Art. 18 der Biomedizinkonvention des Europarates (Oviedo-Konvention) verbiete die Erzeugung menschlicher Embryonen zu Forschungszwecken. „Nach dieser Bestimmung können folglich nur Embryonen, die zu reproduktionsmedizinischen Zwecken erzeugt worden, aber nicht mehr für die Fortpflanzung verwendet werden sollen (sog. ‚überzählige Embryonen‘) zu Forschungszwecken verwendet werden. In vielen Ländern darf an Embryonen in vitro nicht länger als 14 Tage geforscht werden.“

Die Zeit drängt

Die ethische Grundsatzfrage laute, ob die notwendige ethische und die gesellschaftliche Debatte mit dem rasanten Tempo der Forschung noch Schritt halten und es noch gelingen könne, rechtzeitig einen internationalen Diskurs über die Chancen und Gefahren der Forschung für den Menschen in Gang zu bringen. Körtner: „Die Zeit drängt.“ Es gebe diesbezüglich viele Detailfragen. Davor stehe aber die Aufgabe, zu klären: „Wie verstehen wir uns selbst als Menschen und wie wollen wir uns künftig verstehen?“ Dazu gehöre auch die Klärung, was den Menschen zum Menschen mache und worin seine Würde bestehe: „Gibt es nur die Würde des geborenen Individuums, oder auch so etwas wie eine Gattungswürde der menschlichen Spezies?“

Ulrich H.J. Körtner ist Ordinarius für Systematische Theologie (Reformierte Theologie) an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien und Vorstand des Instituts für Ethik und Recht in der Medizin der Universität Wien.

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