Beleidigt, bedroht, bespuckt
Julia Schnizlein über den Hass auf PolitikerInnen
„Machen Sie keine Spaziergänge an abgelegenen Orten! Überprüfen Sie immer wieder das Bremssystem, die Lenkung und die Radmuttern Ihres Autos!…“ Was nach einer Betriebsanleitung für werdende Mafiosi klingt, sind in Wahrheit Verhaltensempfehlungen der deutschen Polizei für Kommunalpolitiker.
Schon lange bringt Ehrenamt immer seltener Ehre, sondern viel häufiger Feindseligkeit, Bedrohung und Hass. Eine großangelegte Umfrage in Deutschland hat ergeben, dass zwei Drittel der befragten Kommunalpolitiker in ihrer Funktion bereits beleidigt, beschimpft oder bedroht wurden. Fast jeder Zehnte wurde körperlich bedrängt, bespuckt oder geschlagen.
Auch vor der Bundespolitik macht die Aggression keinen Halt. Die bosnisch-stämmige Justizministerin Alma Zadić brauchte Personenschutz, als sich rund um ihre Angelobung eine Welle des Hasses über ihr entlud. So groß die Angriffsfläche, so klein die Empathie. Nur wenige fühlen mit Menschen, die in der Ausübung ihres (Ehren-)Amtes beschimpft und bedroht werden. Nach dem Motto: Die hätten ja nicht in die Politik gehen müssen.
Das ist genau so zynisch, als hätte der barmherzige Samariter damals zu dem überfallenen und schwer verletzten Menschen gesagt: „Was geht der auch alleine diesen unbeleuchteten Weg von Jerusalem nach Jericho, wäre er doch zuhause geblieben“.
Natürlich sind nicht alle Politiker Opferlämmer und es gibt unter ihnen beileibe nicht nur weiße Schafe. Aber das ändert nichts daran, dass niemand Hass und Häme verdient hat. Im Gegenteil: Ohne Menschen, die sich in Städten und Gemeinden einsetzen, würde die Demokratie nicht funktionieren. Diese Menschen werden gewählt, um die Regeln für das Gemeinwohl festzulegen, von der Kindergarten- bis zur Pensionsagenda. Wir brauchen solche Menschen, die bereit sind, wichtige Aufgaben zu übernehmen, auch wenn sie um Wohlbefinden und eben manchmal auch um Leib und Leben fürchten müssen.
Die Einschüchterung Einzelner bedroht die Demokratie, das dürfen wir nicht zulassen! Und wenn heute in Wien Kommunalwahlen stattfinden, dann müssen wir hingehen – damit jene, die sich dazu bereit erklären, etwas zu ändern, auch die Möglichkeit dazu bekommen. Wer sollte es sonst tun?
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