Auf der Straße
Michael Chalupka über Armut trotz Erwerbseinkommens
Claudine und André kamen jeden Morgen, duschten, tranken ihren Kaffee und gingen pünktlich zur Arbeit. Claudine servierte in einem der schicken Cafés in der Pariser Innenstadt überteuerten Café au Lait, André sauste als Fahrradbote von einem Ende der Stadt zum anderen. Einmal in der Woche wuschen sie Wäsche in der „Maison dans la rue“, dem „Haus auf der Straße“ der CASP, der französischen Diakonie. Ihre Arbeitgeber legten Wert auf eine adrette Erscheinung. Claudine und André schliefen in ihrem alten Wagen, der in einer stillgelegten Garage am Rande der Stadt stand. Eine Wohnung konnten sie sich von ihrem Einkommen nicht leisten.
Es ist mehr als 10 Jahre her, dass ich für die beiden Kaffee gekocht habe. Wohnungslos zu sein trotz Einkommens hielt ich für ein Phänomen der Großstädte. Diese Woche legte das Forum „Wohnungslosenhilfe“ Salzburg eine Studie vor, aus der hervorgeht, dass jede dritte Person der Wohnungslosen in Salzburg ein Erwerbseinkommen hat. Von seiner Arbeit nicht leben zu können, sich keine Wohnung leisten zu können, ist also kein Problem, das uns in Österreich nicht betreffen würde.
Von Jesus ist das Wort überliefert: „Arme habt ihr allezeit bei euch.“ Das ist aber kein Naturgesetz und unveränderlicher Zustand. Denn zugleich sagt er, „wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen helfen.“ Heutzutage wohl am besten mit leistbarem Wohnraum und Löhnen, von denen man leben kann.