Am Holzweg

 
von Evangelischer Pressedienst

Michael Chalupka über Selbstgewissheit und Irrtum

Das Wetter der letzten Tage passt zu diesem durchwachsenen Sommer. Der Himmel weint. Die westlichen Regierungen stehen in Afghanistan vor den Trümmern ihrer Politik. In Haiti legt wieder einmal ein Erdbeben alles in Schutt und Asche. Unser Außenminister sorgt sich um die Tonalität in der Politik.

Zugleich ist es ein Sommer, wie er immer schon war. Wir schwimmen im See, spazieren im Regen, und genießen die Auszeit von den Belastungen der Coronazeit.

Mir geht es da nicht anders. Zu meinem Sommervergnügen gehört der Konzertbesuch.
Mein Sitzplatz war ganz am Rande des Konzertsaals. Ein noch junger, gut gekleideter, sichtlich erfolgsgewohnter Mann forderte mich forsch auf, mich zu erheben, denn er müsse da durch, zu seinem Platz. Die Reihe war voll, da saßen mindesten 30 Konzertbesucher. Meine Sitznachbarin fragte ihn: „Sind sie sicher?“ „Ganz sicher“, tönte es zurück. Alle mussten sich erheben, seine schöne Begleiterin im signalfarbenen Kleid folgte ihm zögernd im Respektabstand. Angekommen auf der anderen Seite, konnte er endlich seine Eintrittskarte einer Billeteurin zeigen. Die verwies ihn ans andere Ende. Der Mann hatte sich geirrt.

Zurück bleibt die Frage: Sähe unsere Welt nicht ein wenig anders aus, wenn sich so mancher nicht „ganz sicher“ wähnt, wenn er auf dem Holzweg ist? Nicht immer kommt Hochmut vor dem Fall, manchmal reicht dazu auch schon ein Übermaß an Selbstgewissheit.

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