150 internationale Teilnehmer*innen bei Barcamp zur digitalen Kirche
Keynote Speaker Brezina: „Was man plant, um erfolgreich zu sein, floppt“
Wien (epdÖ) – Rund 150 Teilnehmer*innen haben am Freitag, 19. März, beim ersten Barcamp der Evangelischen Kirche in Österreich über die Zukunft der digitalen Kirche diskutiert. Bei der virtuellen „Un-Konferenz“ wurde weitgehend auf Vorträge verzichtet. Stattdessen tauschten sich die digital Anwesenden aus verschiedenen Ländern und allen Altersgruppen „von den Babyboomern bis zur Generation Z“ in losen Sessions über die Kommunikation im Netz aus. Die Agenda reichte dabei von Basics zur Livestream-Abwicklung über die Frage, wer überhaupt zur Verkündigung im Netz befähigt sei, bis hin zur Debatte, wie privat Kirchenvertreter*innen in den sozialen Medien auftreten dürfen und müssen.
Als prominenter Gast geladen war der Kinderbuchautor und Influencer Thomas Brezina, dem auf Instagram über 56.000 Nutzer*innen folgen. Er gab den Teilnehmer*innen mit auf den Weg, in den sozialen Medien vor allem authentisch zu sein: „Alles was man plant, um erfolgreich zu sein, floppt.“
Er selbst habe begonnen, die sozialen Medien intensiver zu nutzen, als Donald Trump ins Weiße Haus eingezogen war: „Wenn Social Media so viel Negatives produzieren kann, wie viel Positives kann man dann damit erreichen?“ Er habe angefangen, „freudige Dinge“ zu posten. Er sehe dabei mehr positive Möglichkeiten als potenzielle negative Auswirkungen der sozialen Medien: „Man kann stundenlang diskutieren, was an Social Media alles schlecht ist. Das halte ich für Zeitverschwendung. Wir wollen den Menschen etwas geben.“ Er beobachte, dass die Coronakrise den Sozialen Medien noch einmal einen Schub gegeben habe. Aber: „Wir brauche keine Krise als Chance. Aber wenn sie schon da ist, sollten wir sie als Chance nutzen“, so Brezina, der demnächst eine Kinderbibel in Reimen veröffentlicht.
Chalupka: Barcamp weist über Krise hinaus
Diese Beobachtung zur digitalen Kommunikation in der Krise teilte auch Bischof Michael Chalupka in seinem Grußwort. Zwar habe die digitale Kirche durch die Pandemie einen Schub bekommen. Das Barcamp aber weise über diese Zeit hinaus: „Die digitale Kirche ist kein Lückenbüßer und soll auch nichts ersetzen.“ Vielmehr sei sie etwas Neuartiges, das zugleich der Urform der Kommunikation des Evangeliums entspreche, indem man – zumindest virtuell – in die Wohnzimmer der anderen komme. Man müsse sich vom Gedanken lösen, „dass das Evangelium nur in Gemeinschaft vor Ort gelebt werden kann“.
„Und siehe, es war schön“
Begleitet wurden die zahlreichen Sessions über eine Social Wall, auf der laufend Posts zu den Hashtags #digi_talfahrtinsblaue und #bcevangat eintrafen (my.walls.io/bcevangat). Die Kommentare griffen Diskussionen aus den Sessions auf und führten sie – teils kritisch weiter. So stellte ein User in Frage, ob auch Ehrenamtliche in der Kirche entsprechende Zeitressourcen aufbringen könnten, um die digitale Kirche aktiv zu gestalten. Ein Teilnehmer aus Deutschland zeigte sich verwundert, dass in Österreich „#digitaleKirche noch mit Kirche in Social Media identisch“ sei. Ein weiterer User befand gegen Ende des Barcamps mit Blick auf über acht Stunden Diskussion: „Und siehe, es war sehr schön“.
Schnizlein: „Love Speech“ statt „Hate Speech“
Organisiert worden war das Barcamp von den Pfarrer*innen Julia Schnizlein, Anne-Sofie Neumann und Johannes Modeß. Nach dem Camp zog Schnizlein gegenüber dem Evangelischen Pressedienst ein Fazit: „Bemerkenswert war der Perspektivenzugewinn durch den offenen Austausch zwischen den verschiedenen Peergroups aus jungen und älteren Teilnehmern, Ehren- und Hauptamtlichen und durch den Einblick in die Arbeit anderer (Landes-)Kirchen.“
Oft hätten Sessions bei Teilnehmenden mehr Fragen eröffnet als Antworten gegeben und den Wunsch nach weiterer Diskussion genährt: „Was verstehen wir denn überhaupt unter ‚Qualität‘ im digitalen Raum? Welche analogen Tabus kann und muss man im digitalen Raum brechen und warum?“ Es gehe auch darum, eine digitale und analoge Fehlerkultur zu etablieren, Alternativen zu herkömmlichen Kirchenstrukturen zu finden und zu fragen „wie wir gemeinschaftlich der ‚Hate Speech‘ mit ‚Love Speech‘ begegnen“ können.
Die Schlussandacht bei dem virtuellen Get-together gestaltete die burgenländische Pfarrerin Iris Haidvogel.