Seminarreihe Ethik und Ethos in der Klinischen Krankenhausseelsorge und in der Universitätsmedizin - Mit-Menschlichkeit in Technologie und Digitalisierung IV

Donnerstag, 23.01.2020, 16.00 Uhr
Medizinische Universität Wien/AKH, HÖRSAAL 5 Ebene 7, Währinger Gürtel 18-20, 1090 Wien

4. Einheit: Do., 23. Jänner 2020, 16:00–18:00 Uhr
Kommunikation in Gesundheitssystemen: Aus-wirkungen von Technologie und Digitalisierung auf das ÄrztInnen-PatientInnenverhältnisReferentin: Eva Schaden, Universitätsklinik für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie
Referentinnen:
Dr. Maria Kletecka-Pulker,Stv. Leiterin des Instituts für Ethik & Recht in der Medizin, Universität Wien
Ludwig Boltzmann Institut für Digital Health and Patient Safety Wien
und
Prof. Dr. Eva Schaden, Univ. Klinik für Anästhesie, Intensivmedizin, und Schmerztherapie
Thema: Kommunikation in Gesundheitssystemen: Auswirkungen von Digitalisierung und Technologie auf das Arzt-Patientenverhältnis
ABSTACT:

„Zuerst heile mit dem Wort, dann durch die Arznei und zuletzt mit dem Messer.“ (Asklepios)
Eine gelingende und vor allem qualitätsgesicherte Kommunikation ist ein zentrales Element in der Gesundheitsversorgung. Das Patientengespräch nimmt dabei eine zentrale Stellung ein, da es eines der wichtigsten Untersuchungs- und Therapieinstrumente darstellt. Durch die Digitalisierung entstehen viele neue Formen der Kommunikation und es gilt nun die Vor- und Nachteile zu evaluieren.  Die Kommunikation über Videokonferenzen bringt z.B. eindeutig Vorteile gegenüber "bloßen" Telefonaten, da rund 1/3 der Kommunikationsinhalte nonverbal übermittelt wird. Bringt die digitale Kommunikation aber auch Vorteile gegenüber der persönlichen unmittelbaren "analogen" Kommunikation?
Viele Menschen sind skeptisch gegenüber der digitalen Kommunikation und sehen darin die Gefahr der Entfremdung. Durch die Digitalisierung wird aber auch Kommunikation, die es aufgrund fehlender Ressourcen gar nicht mehr gibt, wieder ermöglicht (z.B. ärztliche Betreuung in Pflegeheimen). Dies führt dann wieder zu einer Erhöhung der gesundheitlichen Chancengerechtigkeit, die entsprechend dem österreichischen Gesundheitsziel 2 für alle Menschen in Österreich sichergestellt werden soll. In manchen Settings kann eine nicht persönliche Anwesenheit sogar Vorteile mit sich bringen, wie z.B. Objektivität und bessere Abgrenzung.
Aus der Kommunikation mittels Maschinen wird sich unweigerlich auch die vermehrte Möglichkeit für Kommunikation mit Maschinen entwickeln (Stichwort Pflegeroboter). Hier gilt es vorzusorgen, dass die Menschlichkeit in der Betreuung nicht verloren geht.
Bei aller  Begeisterung für die neuen Technologien darf nicht außer Acht gelassen werden, dass das Aufwachsen mit diversen neuen Medien auch die kommunikative Entwicklung der nächsten Generationen (sog. Digital Natives) stark beeinflusst. Das Gespräch (conversation)  tritt zugunsten des schriftlichen „in Verbindung stehens“ mittels email, SMS, WhatsApp etc. (connection) in den Hintergrund. Die Fähigkeit zuzuhören und nonverbale Signale zu interpretieren geht zunehmend verloren. Damit reduziert sich auch die Empathiefähigkeit deutlich. Zukünftig muss daher auch die Vermittlung von Basics der Kommunikation in die Ausbildung von ÄrztInnen und anderen Gesundheitsberufen integriert werden.
Statement der Religionen
 

Christlicher Input (Pfr. Mag. Arno Preis, evangelische Klinische Seelsorge im AKH)
Die digitale Revolution ist eine Realität, die eine offene Auseinandersetzung erfordert: von den Religionen, den Kirchen, der Gesellschaft, der Politik und jedem einzelnen Menschen. Chancen und Gefahren der digitalen Entwicklung und deren Auswirkungen auf das Menschenbild verlangen nach intensiven Nachdenk- und Diskussionsprozessen.

Eine biblische Weisheit besagt, dass der Mensch das Ebenbild Gottes sei, ausgestattet mit freiem Willen und der damit verbundenen Fähigkeit zum freien Handeln. Damit einher geht der menschliche Drang, gewonnene Erkenntnisse jeglicher Art, in die Anwendung zu überführen. Potenziert die Digitalisierung möglicherweise diese dem Menschen innewohnende Verführbarkeit, ethische Grenzen zu überschreiten?

Die Grenzen zwischen Menschen und Maschine verschwinden immer mehr. In der Medizin wird bereits mit Daten, die durch Algorithmen gewonnen werden, über Lebensschicksale entschieden. Diese Sammlung von personenbezogenen Daten begründet auch eine ökonomische Macht, die zu politischer Macht führt. Machtmissbrauch und digitale soziale Ausgrenzung können nur vorgebeugt werden, wenn neben den Algorithmen die Menschenwürde ernsthaft berücksichtigt wird.

Angesichts der computerisierten, digitalisierten Welt kann das biblische Verständnis des Menschen und des Lebens Orientierung geben. In seinem Zentrum steht die Würde des Menschen und die Freiheit der menschlichen Entscheidung. Die christlich-theologischen gedanklichen Zugänge können einen wichtigen Beitrag liefern, um die Entwicklung der Technologien unter der Prämisse voranzutreiben, dass der Mensch weiterhin im Mittelpunkt steht.

Buddhistischer Input (Gerhard Weißgrab, Präsident der Buddhistischen Religionsgemeinschaft in Österreich)

Es besteht kein Zweifel, dass gerade die zunehmende Digitalisierung und Technisierung einen ganz wesentlichen Einfluss darauf hat, wie wir in Zukunft miteinander kommunizieren werden. Dieser Einfluss ist schon heute unübersehbar und wird weiter zunehmen. Besonderes Augenmerk verdient hier die Entwicklung im Gesundheitssystem. Nicht nur, aber auch, durch ständig steigenden Kosten- und Leistungsdruck in diesem Bereich, lauern dort besondere Gefahren.

Die Zuwendung von Mensch zu Mensch, die besonders auch in der Form eines Gespräches von Angesicht zu Angesicht stattfindet, ist zugleich auch ein Heilmittel, das nicht hoch genug wertgeschätzt werden kann. Das zeigt sich in der Lehre des Buddha auch dadurch, dass fast wortgleich im „Edlen Achtfachen Pfad“, sowie in den „Fünf Ethikregeln“ von der Notwendigkeit einer „achtsamen Rede“ gesprochen wird.

Der Buddhismus hat sich nie gegen wissenschaftlichen Fortschritt ausgesprochen, was er aber immer fordert, ist ein Gewahrsein auf dessen Auswirkungen und Folgen für alle fühlenden Wesen und die gesamte Natur. In diesem Sinne gilt es, die zunehmende Digitalisierung und Technisierung der Kommunikation in der Medizin besonders achtsam umzusetzen. Es gilt, ein sorgfältiges Anwenden und ständiges Evaluieren sicher zu stellen. Und es gilt im Auge zu behalten, dass es immer einen Raum dafür geben muss, wo Kommunikation niemals an Maschinen delegiert werden kann, sondern ausschließlich zwischen Menschen stattfinden sollte. 

Jüdischer Input (Dr. Willy Weisz, Jüdische Patientenbetreuung am AKH Wien)

In der Torah, den 5 Büchern Mose, wird die Kommunikation mit dem Ewigen immer als eine des gesprochenen Wortes allein dargestellt. Jegliche bildliche Darstellung Gottes ist nicht erlaubt, womit auch die Anbetung von Bildern oder dreidimensionalen Darstellungen verboten ist. In Dt 2,12 heißt es bezugnehmend auf die Offenbarung am Sinai: „Ihr hörtet den Donner der Worte. Eine Gestalt habt ihr nicht gesehen.“ Das zentrale Kommunikationsvehikel ist das Wort, und wenn es gesprochen wird, auch der Tonfall, aber nicht das Bild.

Auch die ersten elektrischen, als Vorgänger der elektronischen, Kommunikationsmittel waren rein akustischer Natur: Telefon, Radio, Tonträger. Man war gewohnt hinzuhören.
Bereits in der Erzählung vom Auszug aus Ägypten erweist sich das totale Bilderverbot als für die menschliche Natur schwer einhaltbar. Während Moses am Berg Sinai die Göttliche Lehre erhielt, wurde am Fuße des Berges ein goldenes Kalb gegossen und als „Darstellung“ zwar des Einen und Einzigen Gottes – aber doch verbotener Weise – angebetet, wie in Exodus 32, 1-4 berichtet wird. Die Entwicklung der Medien ging auch immer mehr zur Übermittlung von Bildern über. Selbst die Kommunikation mit Computern, die ursprünglich über Textein- und ausgaben erfolgte, wird heute hauptsächlich über das Ansteuern und Anklicken von Icons, also bildlichen Darstellungen, gesteuert und die Ausgaben sind meist Stand- oder bewegte Bilder. Ob dabei auch Texte gesprochen werden, ist oft nur nebensächlich, wichtig ist eine gute optische Aufbereitung.

Auch in der Mensch-zu-Mensch-Kommunikation wird heute zu oft nicht richtig hingehört, geschweige denn auf Nuancen der Wortwahl und akustischen Darstellung achtgegeben. Auch das Gespräch zwischen Patienten und Arzt wird schwieriger, wenn nicht genau geachtet wird, was der Gesprächspartner sagt, und wie er es sagt. Auch Rückfragen sind wichtig, kosten aber jene Arbeitszeit, die im heutigen Gesundheitssystem nicht mehr zur Verfügung steht. Ein zusätzliches Problem liegt in der Verwendung von Fachausdrücken, die dem Patienten nichts sagen, weswegen Rückfragen meist ausbleiben.

Die Beobachtung von Mimik und Körpersprache liefert zwar wichtige Zusatzinformationen, die aber das Gesprochene nicht ersetzen können. Auch das Konzept „ein Bild sagt mehr als 1000 Worte“ gilt meist nur für die Kommunikation von Leuten aus verwandten Arbeitsgebieten, die aus den Bildern die gleichen Informationen extrahieren können.

Der verbalen Kommunikation sollte in Zukunft wieder eine größere Bedeutung beigemessen werden. Wobei nicht nur auf das verständliche Vermitteln von Informationen sondern auch das Spüren-lassen von Empathie im Arzt-Patientengespräch Wert gelegt werden sollte – mit oder ohne Vermittlung durch elektronische Medien.

Veranstaltungsort IMMER: Hörsaal 5 im Hörsaalzentrum der MedUni Wien im AKH WienEine gemeinsame Veranstaltungsreihe der Univer-sitätsmedizin Wien und der Klinischen Seelsorge im AKH Wien.

Weiterführende Infos folgen zeitgerecht vor den jeweiligen Seminareinheiten per Veranstaltungskalender der MedUni Wien bzw. der Website des Doktoratsstudiums Clini-cal Neurosciences (www.meduniwien.ac.at/clins) und Events MedUNI Wien

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