Seminarreihe Ethik und Ethos in der Klinischen Krankenhausseelsorge und in der Universitätsmedizin - Mit-Menschlichkeit in Technologie und Digitalisierung III

Donnerstag, 28.11.2019, 16.00 Uhr
Medizinische Universität Wien/AKH, HÖRSAAL 5 Ebene 7, Währinger Gürtel 18-20, 1090 Wien

3. Einheit: Do., 28. November 2019, 16:00–18:00 Uhr Ort: Hörsaal 5 im Hörsaalzentrum der MedUni Wien im AKH Wien
Referenten: Prof. Dr. Christoph Aufricht, Dr. Lukas Kaltenegger, beide Universitätsklinik für Kinder und Jugendheilkunde Wien, Prof. Dr. Christian Popow, Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie
Digital Natives – Einfluss von Technologie und Digitalisierung auf das sich entwickelnde KindReferent: Christoph Aufricht, Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde
ABTSRACT
„Digital Natives“ (Mark Prensky) beschrieb 2001 die Generation von Kindern, die in einer digitalisierten Welt aufwachsen, in der Computer und Smartphones vom Babyalter an „dazugehören“. Heute, 18 Jahre später, sehen wir Vor- und Nachteile aus einer differenzierteren Perspektive, und neue Begrifflichkeiten wie „Digital Orphans“, „Digital Exiles“ und „Digital Heirs“ kategorisieren die sozialen Phänomene der Digitalisierung im Alltag.
Vor diesem Hintergrund wird Christian Popow versuchen, Wirkung und Gefahren der Digitalisierung,  insbesondere die Veränderungen von Freizeitverhalten, Interaktion, Kommunikation, Kulturverständnis usw. aus der Sicht eines Kinderarztes und Kinderpsychiaters darzustellen. Die Faszination der digitalen Spielwelt und ihre Folgen stehen dabei im Mittelpunkt.
In Folge wird Lukas Kaltenegger aus Sicht eines jungen Arztes die Bedeutung und Chancen der Digitalisierung in der medizinischen Betreuung von Kindern und Jugendlichen an der MedUni anhand aktueller Projekte darstellen, sowie als Vater sehr junger Kinder seine persönlichen Gedanken zum Umgang mit der Digitalisierung aus Sicht des Kinderarztes mit dem Publikum teilen. Selbst zur Zeit des Erwachens des World Wide Webs aufgewachsen wird er außerdem über die Erfahrungen mit seiner eigenen "Digitalisierung des Erwachsenwerdens" reflektieren.
Auf Basis dieser Vorträge von medizinisch-wissenschaftlichen Experten können weitere ethische und spirituelle Überlegungen interdisziplinär diskutiert werden, um aus eventuell unterschiedlichen Ansichten lernen zu können.

Christlicher Input
Vikar Jörg Kreil, Mth, evangelische Pfarrgemeinde Wien-Ottakring und evangelische klinische Seelsorge im AKH

You only live online
Eine schöne, neue Welt hat sich der Mensch selbst erschaffen. In dieser digitalen Schöpfung kann er sich selbst zu einem gottartigen Wesen emporschwingen. Gerade die Möglichkeit, hier alles sein zu können, was und wie man möchte, birgt aber auch die Gefahr, der analogen Welt gänzlich den Rücken zuzukehren. Auch wenn sich die Seelsorge meist in der analogen Welt ereignet, sollte die Lebenswelt der digital Natives ernst genommen werden. Damit geht für die Seelsorge die Erkundung in einer neuen, digitalen Welt einher, ebenso wie die Frage wie und wo sie dort ihren Platz finden wird. All die Errungenschaften der Technologisierung, der Digitalisierung und der Erschaffung einer Welt, die gänzlich dem Menschen untersteht, wirft aber ebenso einige Fragen auf. Werden, mit all den Vorteilen der digitalen Schöpfung, nicht auch gleichzeitig genau die Werkzeuge erschaffen, mit denen sich der Mensch selbst ablöst? Das richtige Verhältnis vom Leben in der analogen und digitalen Welt muss noch gefunden werden, aber genau diese Entdeckungsreise bietet das Potenzial, das Beste aus zwei Welten zu vereinen.

Buddhistischer Input
Gerhard Weißgrab
Präsident der Österreichischen Buddhistischen Religionsgemeinschaft

Digitalisierung ist heute gewöhnlicher Alltag und die sog. „Digital Natives“ sind auch schon in die Jahre gekommen. Das heißt aber noch lange nicht, dass wir auch schon alle damit in Verbindung stehenden Fragen beantwortet und Probleme gelöst hätten. Da stehen wir noch ganz am Beginn.  Und gerade aus buddhistischer Sicht geht es da weniger um das Befolgen von Vorschriften, sondern eher um das genaue Hinschauen und Wahrnehmen, welche Folgen diese neue Technik hat. Folgen, von denen der Buddha sicher noch keine Ahnung hatte, aber sein Postulat der Allverbundenheit und der Gesetzmäßigkeit von Ursache und Wirkung lässt sich auf alles anwenden, also auch auf die Problematiken von Digitalisierung und darauf, was es bedeutet, wenn  die neue Technik und Digitalisierung unser Umfeld grundlegend verändert und fixer Bestandteil des Lebens, bereits von Geburt an, ist. Wir sollen und können uns auf keine alten Vorschriften verlassen, sondern müssen eine Bereitschaft dafür entwickeln, unser Gewahrsein auf mögliche heilsame oder unheilsame Folgen dieser neuen Wege zu fokussieren. Aus dieser Wahrnehmung heraus sind wir gefordert, Verhaltensweisen ethisch zu beurteilen und als Empfehlungen weiter zu geben. Oberster Wertmaßstab bleibt dabei immer das Wohl aller fühlenden Wesen und größtes Problem wird immer die Realität sein, dass jede Entwicklung zwischen den Polen positiv und negativ changiert.

Jüdischer Input
Dr. Willy Weisz, Jüdische Patientenbetreuung am AKH Wien

Wie „Digital Natives“ lernen, mit sich, ihrer Umwelt und der Technik umzugehen, hängt in erster Linie davon ab, wie ihre Lehrer, sowohl die Eltern wie die Berufspädagogen, sie dabei anleiten. Das große Problem dabei ist, dass diese es im Allgemeinen nicht können, da auch sie es nicht gelernt haben.
Die radikale Methode, Smartphone und Computer nicht zu Kraken werden zu lassen, ist ihre Verwendung ganz zu unterbinden. Sie wird in einigen Gruppierungen des extrem streng observanten Judentums eingesetzt. Dort sind die einfachen Handys ohne Internetzugang auch heute noch ein Verkaufsschlager. Für Kinder bedeutet dies natürlich den großen Nachteil, dass sie immer wichtiger werdende Fähigkeiten nie erlernen. Eine mildere Form der Abschirmung der Kinder und Jugendlichen, aber auch der Erwachsenen ist der Einsatz von „religiös zertifizierten Filtern“, die „unerlaubten“ Inhalt unterbinden. Wer dabei an den gerade erst 1966 abgeschafften „Index“ der katholischen Kirche denkt, hat nicht unrecht. Die beste Methode besteht darin, gemeinsam mit Kindern die Inhalte von Informationen, die im Internet angeboten werden, zu analysieren und zu diskutieren.
Für die Folgen des exzessiven Internetkonsums wie das Verlernen, in Büchern zu lesen, oder mit Gleichaltrigen oder Familienmitgliedern zusammenzukommen und zu interagieren, hat die jüdisches Religion ein probates Mittel: Nach heutigem Verständnis umfasst das biblische Arbeitsverbot am Schabbat (vom Sonnenuntergang am Freitag bis Einbruch der Nacht am Samstag) das Schalten von elektrischem Strom, also ist auch die von Menschen ausgeführte Eingabe in elektronische Geräte verboten. Gleiches gilt zusätzlich für die anderen Feiertage. Da die „schöne elektronische Welt“ jede Woche zumindest einen Tag lang ausfällt, wird das Lesen von Büchern als Freizeitbeschäftigung auch nicht verlernt.

Islamischer Input
Dr. Abdurrahman Reidegeld, Institut Islamische Religion an der KPH Wien/Krems und Erkan Erdemir, MA, Islamische Spitalseelsorge Österreich

Der Mensch und die gesamte Weltgemeinschaft ist in einer Interaktion mit der digitalen Welt eingebunden, aber leidet zunehmend daran, dass sie sich selbst verliert. Wenn der Bezug zu den Sinnen, das Begreifen (im wahrsten Sinne „Be-greifen“) immer mehr durch eine digitale Vorspiegelung ersetzt wird, besteht die Gefahr, dass auch menschliche Gefühle sich auf die digitale Welt verschieben.
Im ehrenwerten Qur’an wird beschrieben, dass der Weg des Selbst-Verlustes mit der Selbst-Lüge und der Missachtung der Gaben beginnt, die Gott den Menschen zur Verfügung stellt („Und wenn die Bewohner der Städte geglaubt und Gottesfurcht gezeigt hätten, dann hätten Wir Ihnen die Segnungen von Himmel und Erde eröffnet, doch sie zogen es vor zu lügen, und so erfasse sie das, was sie auf diese Weise zu erwerben pflegten“) (Sure al-A‘rāf, Vers 96).
Zweifellos hat die Digitalisierung auch viele Erleichterungen gebracht und etliche Vorgehensweisen erst ermöglicht, aber sie ist auch zu einer Quelle der Scheinbarkeit und Ent-Wirklichung geworden: vielleicht hat jemand in den digitalen Socialmedia tausende von Freunden, aber wenn es mir schlecht geht, gibt es niemanden von ihnen in der festkörperlichen analogen Welt, der dem Menschen beisteht.
Auf die Frage des Warum und Wohin findet die Menschheit im Digitalen keine Antwort. Um so wichtiger, dass es zumindest weiterhin eine Welt der Innerlichkeit, der Transzendenz und Erfüllung gibt, auf die der Mensch wie eine Kompassnadel ausgerichtet bleibt, damit er in der postmodernen Umgebung seinen Lebenslauf nicht ins Sinnlose und Leere laufen lässt.

4. Einheit: Do., 23. Jänner 2020, 16:00–18:00 Uhr
Kommunikation in Gesundheitssystemen: Aus-wirkungen von Technologie und Digitalisierung auf das ÄrztInnen-PatientInnenverhältnisReferentin: Eva Schaden, Universitätsklinik für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie

Veranstaltungsort IMMER: Hörsaal 5 im Hörsaalzentrum der MedUni Wien im AKH WienEine gemeinsame Veranstaltungsreihe der Univer-sitätsmedizin Wien und der Klinischen Seelsorge im AKH Wien.

Weiterführende Infos folgen zeitgerecht vor den jeweiligen Seminareinheiten per Veranstaltungskalender der MedUni Wien bzw. der Website des Doktoratsstudiums Clini-cal Neurosciences (www.meduniwien.ac.at/clins)) und Events MedUNI Wien

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