Zeit der Ersten Republik

Zur Unterstützung des Superintendenten wurden Senioren ernannt. So entstanden im Laufe der Zeit zwei Seniorate in Kärnten, eines in der Steiermark und eines in Niederösterreich. Nach dem Frieden von St. Germain gingen die folgenden, südlich der neuen Staatsgrenzen gelegenen Gemeinden verloren: Triest, Pola, Görz, Laibach, Cilli und Marburg/Drau.

1920 wurde Wien zu einem eigenen Bundesland, worauf 1923 ein neues Wiener Seniorat A.B. gegründet wurde, das auch niederösterreichische Pfarrgemeinden umfasste. In der Stadt Wien entstanden drei neue Gemeinden: Liesing, Favoriten und Neubau-Fünfhaus.

 

Zusatz: Der Erste Weltkrieg

Während der letzten Jahre der langen Regierungsdauer Franz Josephs I. (1848-196) schien die evangelische Kirche stabilisiert, gestärkt und sichtlich gekräftigt, wie Univ.-Prof. Dr. Dr. Peter Friedrich Barton in seinem Buch „Evangelisch in Österreich“ festhielt. Das natürliche Wachstum sowie der Zuwachs aus evangelischen Siedlungsgebieten Altungarn und aus dem Ausland erhöhte sich durch eine erstarkende Übertrittsbewegung – zum Beispiel katholischerseits durch einen Teil der „Los-von-Rom-Bewegung“. Mitglieder der israelitischen Kultusgemeinde Österreichs und Ungarns konvertierten vermehrt seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert bis zum Einsetzen des Naziterrors.

Aufgrund des Zuwachses und der Konvertiten wurde der Evangelischen Kirche unter anderem mangelnde Loyalität zu Staat und Kaiser unterstellt. Dabei zeigte die Evangelische Kirche große „ja, übergroße Loyalität“, wie Barton formulierte. „Viele neugebaute Kirchen in Österreich trugen (später natürlich umbenannt) stolz den Namen ‚Kaiser-Franz-Joseph-Jubiläumskirche‘.“ 1903 gingen diese Unterstellungen und Angriffe zurück, auch der Kaiser attestierte den Evangelischen politische Zuverlässigkeit.

Dem Kriegsbeginn 1914 begegneten die Evangelischen trotz aller nationalen Spannungen mit einer überschwänglichen Welle patriotischen Einsatzes, so Barton. „Die Wiener Studenten der Evangelischen Theologie, die wie die katholischen Theologiestudenten weithin vom Militärdienst befreit waren, erzwangen durch eine ‚Besetzung‘ des Kriegsministeriums, als Soldaten oder als Rotkreuzhelfer an die Front gehen zu dürfen. Sehr viele sollen fallen.“

„Der Zusammenbruch 1918 und die Aufteilung Österreichs brachte der Evangelischen Kirche eine Identitätskrise“, so Barton, die sich auch personell und finanziell niederschlug. „Die Unzufriedenheit vieler evangelischer Gemeinden richtete sich gegen den neuen Staat und – die Kirchenleitung. Der neue Staat wiederrum gewährte auch jetzt der Evangelischen Kirche nicht Eigenständigkeit und Autonomie. Die Kirche wurde von einem staatlichen Ministerium aus regiert. Eine neue Kirchenverfassung von 1931 wurde nicht angenommen.“

Dennoch wird 1931 die Kreuzkirche (14. Bezirk) der Pfarrgemeinde Wien-Hietzing fertiggestellt und 1935 die Johanneskirche in Liesing eingeweiht.

[Dieser Zusatz ist aus dem Beitrag "Geschichte der Evangelischen in Wien: ein Überblick" von Dr. Hannelore Köhler und Martina Schomaker-Engemann, erschienen im Buch "So evangelisch ist Wien" (Falter Verlag 2016), entnommen.]

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