Körtner: Für viele Kern des Glaubens nicht mehr greifbar
Wiener Theologe im Deutschlandfunk über Aufgaben der Ökumene
Köln (epdÖ) – Für eine Verschiebung der Bewertung ökumenischer Herausforderungen plädiert der Wiener evangelisch-reformierte Theologe Ulrich H.J. Körtner im Gespräch mit dem Deutschlandfunk am Montag, 16. Juli. Anlässlich der Veröffentlichung des Buches „Und jetzt? Ökumene nach dem Reformationsjubiläum“, zu dem er genauso wie sein Gesprächspartner, der katholische Bochumer Theologe Thomas Söding, einen Beitrag beigesteuert hatte, meinte der oft als Ökumenekritiker eingestufte Körtner: „Ich glaube, wir stehen wirklich gemeinsam vor großen Herausforderungen, wie wir eigentlich das Zentrum des christlichen Glaubens in einer zunehmend säkularen Umwelt einerseits und einer durch andere Religion wie Islam – durch Migration bedingt – andererseits darstellen wollen.“
Abendmahlsfrage für Ehepartner: Symbolträchtigkeit zu hoch eingestuft
Damit relativierte Körtner auch die Bedeutung der Debatte um die mögliche Teilnahme von nicht-katholischen Ehepartnern am römisch-katholischen Abendmahl in Deutschland. Hier war es vor kurzem zu keiner gemeinsamen Entscheidung der deutschen Bischofskonferenz gekommen, jedem Bistum wurde die Zulassung freigestellt. Körtner sieht in dieser Diskussion zwar eine „für die Betroffenen durchaus wichtige Frage“, die aber in ihrer „Symbolträchtigkeit“ zu hoch eingestuft werde: „Das ist auch für die katholische Kirche kein großer Schritt, sondern im Grunde ist es ein bisschen eine Feinnachjustierung an dem, was der Status quo kirchenrechtlich und auf den Grundlagen des Zweiten Vatikanischen Konzils eh schon ist.“
Entscheidende Herausforderungen erkennt Körtner im Streitgespräch vielmehr auf globaler Ebene, „dass nämlich ein pentekostales oder charismatisches Christentum sich ausbreitet, das mit diesen traditionellen Formen auch von Ökumene, Ökumene-Kommission und Dialogen gar nichts am Hut hat.“ Ein großes Problem sehe er vor allem darin, dass für viele Menschen der Kern des Glaubens, „wie er in ihrer jeweiligen Kirche eigentlich ausgedrückt wird oder in der Tradition auch artikuliert ist“ nicht mehr wirklich greifbar sei, und „dass wir da eine starke Ausdünnung als solche erleben.“
Söding: Konfessionsprinzip nicht einfach für Zukunft übernehmen
Körtners Gesprächspartner im von Journalist Andreas Main geführten Diskussion war Mitautor Thomas Söding, römisch-katholischer Professor für Neues Testament in Bochum. Söding wies darauf hin, dass es der katholischen Theologie „notorisch schwer falle anzuerkennen, dass es auch noch andere Formen, nicht nur des Christ-Seins, sondern auch des Kirche-Seins gibt.“ Hier sei in Sachen katholisch-protestantischer Ökumene noch viel Arbeit zu leisten: „Ich meine, das ist der erste Schritt, den die evangelische Christenheit, auch vollkommen zu Recht, von der katholischen Theologie und Kirche erwarten darf, aber dann muss es weitergehen.“ Zudem sieht er, dass das „Konfessionsprinzip aus einer Vergangenheit wächst, „die eben halt tatsächlich ein sehr großes Orientierungspotenzial entwickelt, aber nicht einfach mehr so die Zukunft bestimmen kann, wie sie in der Gegenwart noch wahrzunehmen ist.“
Die Sendung vom Montag, 16. Juli, kann unter https://www.deutschlandfunk.de nachgehört werden.