Bünker: Mehr Vernunft in Asyldebatte
Bischof und Kardinal im ZIB2-Interview Wien
Bischof und Kardinal im ZIB2-Interview
Wien (epdÖ) – „Ich glaube nicht, dass die Gesellschaft gespalten ist, aber es gibt eine Polarisierung“, erklärte Bischof Michael Bünker am 23. Dezember in der ORF-Nachrichtensendung ZIB2. Gemeinsam mit Kardinal Christoph Schönborn wurde Bünker zu Menschen auf der Flucht, gesellschaftliche Herausforderungen sowie über das Reformationsjubiläum interviewt.
In Bezug auf Terrorismus und Flüchtlinge mahnt Bischof Bünker, die Zusammenhänge, die hergestellt werden, kritisch zu überprüfen. „Jetzt wird behauptet, Flüchtlinge bringen Terrorismus, man muss gleichzeitig auch sagen, der Terrorismus bringt Flüchtlinge. Viele flüchten ja vor der Art Terrorismus, die wir in Paris, Nizza und jetzt auch in Berlin erlebt haben“, so Bünker. Er nannte als Beispiel die christlichen Syrer, die in der Vergangenheit immer wieder zwischen die Fronten geraten seien. Grundsätzlich zeigte sich Bünker davon überzeugt, dass beim Thema Flüchtlinge Rationalität und Vernunft ebenso wichtig seien wie das Einhalten europäischer Standards wie etwa der Menschenrechte. Und einmal mehr betonte der Bischof: „Asyl ist kein Verbrechen, Asyl ist ein Menschenrecht.“ Daran festzuhalten könne Menschen verbinden, das zeige sich in den Kirchen, wo die Zahl der Ehrenamtlichen im Flüchtlingsbereich sogar gestiegen sei.
Kardinal Schönborn hat ein Umdenken in der Flüchtlingsfrage einbekannt. Er sei wie viele andere auch von der großen Zahl der Asylsuchenden überrascht und in den Wortmeldungen mittlerweile „vorsichtiger geworden“. Statt alle Flüchtlinge aufzunehmen, müsse man zuerst auf Hilfe vor Ort schauen, damit die Flüchtlinge wieder in ihrer Heimat leben können. Zumindest Hoffnung auf Möglichkeiten der Rückkehr sehe er derzeit im Irak.
Österreich habe die Flüchtlingsnot laut dem Wiener Erzbischof in „Etappen“ miterlebt. Er selbst habe anfangs wie viele Experten mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel „Wir schaffen das“ gesagt. Schließlich sei Österreich in seiner jüngeren Geschichte doch auch mit den Flüchtlingen aus Ungarn, Prag oder dem Bosnienkrieg zurechtgekommen. Im weiteren Verlauf habe sich in der Gesellschaft jedoch ein Gefühl der Überforderung durch die „unglaubliche Zahl an Flüchtlingen“ breitgemacht. Schönborn: „Wir haben erfahren müssen: Das geht über unsere Kapazitäten und Möglichkeiten hinaus.“ Das Problem habe eine andere Dimension bekommen, weshalb europäische Lösungen nötig seien, unterstrich der Wiener Erzbischof.
Angesprochen auf das Reformationsjubiläum 2017 und die Spaltung der Kirchen im 16. Jahrhundert erinnerte Bischof Bünker an die großen Fortschritte, die in den vergangenen Jahrzehnten erzielt werden konnten. „Wir sind von einem Gegeneinander zu einem Nebeneinander, vom Nebeneinander zum Miteinander gekommen.“ Heute gebe es in Österreich, in Europa und weltweit vielerorts ein „Füreinander der christlichen Kirchen“, ist Bünker überzeugt. „Und diese Lehre ist auch für das Europa von heute wichtig: dass Unterschiede uns nicht trennen und spalten müssen, sondern dass wir lernen müssen, uns in der Vielfalt miteinander für die gemeinsame Zukunft einzusetzen.“
Kardinal Schönborn hob die Einmütigkeit der christlichen Kirchen hervor, deren Basis der gemeinsame Glaube und gemeinsame Werte seien. Darüber hinaus profitierten beide Kirchen auch von der Unterschiedlichkeit, ein „Einheitsbrei“ sei nicht das Ziel der Ökumene. So habe etwa die Römisch-katholische Kirche von den Evangelischen Kirchen viel über den Umgang mit der Bibel gelernt. Gerade die Zusammenarbeit von Diakonie und Caritas zeige das gute Miteinander der christlichen Kirchen.