Hilfsorganisationen fordern Perspektiven für Ukraine-Vertriebene
Moser: „Kriegsflüchtlinge wie Arbeitsmigranten zu behandeln wäre schwerer Denkfehler“
Wien (epdÖ) – Hilfsorganisationen fordern eine langfristige Perspektive für aus der Ukraine nach Österreich geflüchtete Menschen. Dafür haben Diakonie, Caritas, Rotes Kreuz und die Volkshilfe am Montag, 25. September, in Wien gemeinsam Maßnahmen zur langfristigen Integration von Kriegsvertriebenen präsentiert. Etwa 70.000 Vertriebene aus der Ukraine finden derzeit Schutz in Österreich, auf Basis der Richtlinie für temporären Schutz der EU. Jedoch endet dieser Vertriebenenstatus im März nächsten Jahres. „Wir benötigen rasche gesetzliche Lösungen über März 2024 hinaus“, forderte die Generalsekretärin der Caritas Österreich, Anna Parr.
Die beste Lösung wäre es, diese Frage „menschlich, pragmatisch und sinnvoll“ über den Asylberechtigtenstatus zu lösen, appellieren die Organisationen an die Politik. „Je schneller wir Klarheit über eine langfristige Perspektive und die Voraussetzungen haben, umso rascher werden wir das volle Arbeitsmarktpotential heben können“, unterstrich Parr. Ein baldiges Ende des Kriegs sei aktuell nicht absehbar, langfristige Lösungen wären deswegen nicht nur für die Menschen wichtig, sondern auch für Wirtschaft und Unternehmen, zeigte sich die Caritas-Generalsekretärin überzeugt.
„Knackpunkt ist und bleibt der Aufenthaltstitel“
Am besten wäre es, das Problem im Bereich des Asylwesens zu lösen, betonte die Direktorin der Diakonie, Maria Katharina Moser. So sei etwa die Möglichkeit eines eigenen „Ukrainergesetzes“ von den Hilfsorganisationen bereits mehrfach ins Spiel gebracht worden. Es habe aber den Anschein, als würde die Politik eine Lösung im Rahmen der „Rot-Weiß-Rot-Card“ anstreben. Das greife zu kurz, weil es eine rein arbeitsmarktbezogene Maßnahme sei. „Alte und kranke Menschen sowie Mütter mit kleinen Kindern können nicht über das Modell der Rot-Weiß-Rot-Card integriert werden“, so Moser. „Kriegsflüchtlinge wie Arbeitsmigranten zu behandeln, wäre ein schwerer Denkfehler“, kritisierte die Diakonie-Direktorin.
Die Menschen müssten dringend aus dem „Wartesaal“ der Grundversorgung herausgeholt werden, Integrationsministerin Susanne Raab sei in der Pflicht, gute Vorschläge und Lösungen zu finden. „Knackpunkt dafür ist und bleibt der Aufenthaltstitel“, so Moser. Immer deutlicher werde auch, dass die Menschen, selbst wenn der Krieg irgendwann endet, sobald nicht in ihre Heimat zurückkehren könnten: Ganze Landstriche, Häuser und selbst Kinderspielplätze seien von der russischen Armee vermint worden, so Moser.
„Rot-Weiß-Rot-Card-Plus“-Modell
Auf die Notwendigkeit flankierender Maßnahmen machte Judith Ranftler von der Volkshilfe Österreich aufmerksam. Insbesondere ein flächendeckendes Angebot von Deutschkursen, Kinderbetreuung und Wohnmaßnahmen müsse angestrebt werden. Es brauche ein Maßnahmenpaket, um das Zusammenleben langfristig zu sichern, so Ranftler.
Jedenfalls gewährleistet sein müsse das Recht auf ein geregeltes Familienleben nach der Europäischen Menschenrechtskonvention, betonte Anja Oberkofler, Vizepräsidentin des Österreichischen Roten Kreuz. Eine Behandlung der Menschen nach den Richtlinien der „Rot-Weiß-Rot-Card“ würde schwerwiegende Hürden für Geflüchtete bedeuten, so Oberkofler. Es erfordere deswegen „rechtliche Anpassungen, um sicherzustellen, dass durch den Krieg getrennte Familien ein menschenwürdiges und sicheres gemeinsames Leben in Österreich führen können“.
Die Hilfsorganisationen in Österreich stünden seit Beginn des russischen Überfalls auf der Seite der Vertriebenen, betonte Caritas-Generalsekretärin Parr abschließend. Man begrüße, dass mit einem „Rot-Weiß-Rot-Card-Plus“-Modells unter Einbeziehung der Sozialhilfe ein langfristiger Aufenthalt unter sozialer Absicherung sichergestellt werden solle. Es gelte aber auch Rahmenbedingungen zu schaffen, „wo die Menschen möglichst rasch wieder auf eigenen Beinen stehen können“, so Parr. Maßnahmen müssten gesetzt werden, damit die Menschen rasch in Beschäftigung kommen und sie so die hohen Hürden der „Rot-Weiß-Rot-Card“ erfüllen können, so Parr abschließend.