Das Jüngste Gericht
Michael Chalupka über Tiere und das Jüngste Gericht
Wir kennen die Bilder vom Jüngsten Gericht. Auffällig daran ist, dass alle Ordnung auf Erden in diesen Bildern oft umgekehrt wird. Könige, Päpste und Bischöfe stehen auf der Seite derer, die vor dem Gericht Gottes zittern, und einfache Mägde, Knechte und Bettelmönche ziehen ins Himmelreich ein. Die Opfer der Geschichte bleiben nicht mehr die Opfer, sondern bekommen Wert.
Deshalb waren die apokalyptischen Bilder bei all der Gewalt, die in ihnen thematisiert wurde, immer Trost für die, die wenig vom Leben zu erwarten hatten, aber auch eine Warnung an die, die Macht hatten, über andere zu herrschen. Die Rede vom Jüngsten Gericht war damit nicht nur Vertröstung auf ein gerechteres Jenseits, sondern die Botschaft, dass menschliches Handeln Konsequenzen hat.
Dieser Tage habe ich ein neues sprachliches Bild von der Sami-Theologin
Lovisa Mienna Sjöberg gehört, nämlich, dass alle Menschen am Tag des Jüngsten Gerichts zum Schweigen verdammt sein werden und den Tieren die Gabe der Sprache gegeben wird. Bei diesem Gedanken kann einem der rosa gebratene Kalbsrücken schon im Hals stecken bleiben. Lovisa Sjöberg gehört dem Volk der Samen an. Sie leben mit ihren Rentieren und nutzen sie auch. Sie wissen daher um ihre Verantwortung für die Schöpfung, die Tiere und Pflanzen. Ich allerdings kann nur hoffen, dass Vino, der Hund meiner Tochter, beim jüngsten Gericht ein gutes Wort für mich einlegt.