Chalupka: „Auch wenn wir versagen, wir sind nicht und nie allein“

 
von Evangelischer Pressedienst

Bischof unterstrich bei Predigt in Bielitz Verbindung evangelischer Gemeinden

Bielitz (epdÖ) – Im Rahmen der Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes, die bis 19. September in Krakau tagt, besuchten Delegierte auch Pfarrgemeinden der gastgebenden Evangelisch-lutherischen Kirche in Polen. In seiner Predigt in der evangelischen Kirche in Bielitz (Bielsko-Biala) ging Bischof Michael Chalupka am Sonntag, 17. September auf die Verbindung und die durch die geschichtlichen Entwicklungen bedingte Trennung zwischen den evangelischen Gemeinden in Österreich und der Gemeinde in Bielitz in Polen ein.

Bielitz bzw. Bielsko-Biala sei schon früh ein „Zentrum der Reformation“ gewesen, die lutherische Reformation sei dort auch in den Zeiten der Gegenreformation lebendig geblieben, erinnerte der Bischof. Zu Zeiten der Habsburger Monarchie war das Teschener Land eine Zeit lang der Sitz der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche A.B. in Österreich und Bielsko-Biala die einzige und größte weitgehend evangelische Stadt des Habsburgerreiches. „Persönlichkeiten, die bis heute für unsere Kirchen große Bedeutung haben, haben in Bielsko-Biala gewirkt und sich für die Gleichberechtigung der evangelischen Christinnen und Christen eingesetzt”, sagte der Bischof vor der Gemeinde in Polen.

Dabei kam Chalupka auf die Zeit des Nationalsozialismus zu sprechen: In das Konzentrationslager Mauthausen in Österreich seien auch viele evangelische Pfarrer aus europäischen Ländern deportiert worden. „Sie alle sind fern ihrer Heimat, fern der Kirchen, für die sie als Pfarrer und Prediger des Evangeliums gearbeitet haben, in Mauthausen ermordet worden“, sagte Chalupka. Allein aus dem damaligen Schlesien und aus Polen waren 18 Personen betroffen. Pfarrer der österreichischen Kirche waren keine darunter.

„Gott war gegenwärtig am Ort des Grauens“

„In dieser Zeit der Gottesferne des österreichischen Protestantismus haben Theologen aus vielen Ländern Europas im Konzentrationslager Mauthausen gelebt und gelitten, sie haben gebetet und das Evangelium in den Baracken, auf der Todesstiege und unter den Wachtürmen bezeugt. Sie haben die Konsequenzen ihres Eintretens für Christus und den Nächsten ertragen bis in den Tod“, erklärte der Bischof, „Gott war gegenwärtig, war an ihrer Seite am Ort des Grauens, in einem Land und in einer Kirche, die gottvergessen ihr Schicksal der enttäuschten Erwartungen beklagte.“

„Versuchung nicht überwunden“

Die Evangelische Kirche in Österreich sei in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft schuldig geworden und habe sich obsolet gemacht, unterstrich der Bischof und warnte zugleich: „Die Geschichte wiederholt sich nicht. Doch die Versuchung, dass einer sich über den anderen erhebt, dass ein Glied des Leibes wichtiger zu sein glaubt als das andere, dass einer seine Gewalt allen anderen aufzwingen will, diese Versuchung ist nicht überwunden.“

Die Geschichte lehre: „Auch wenn wir versagen, wir sind nicht und nie allein.“ Im größten Versagen der Evangelischen Kirche in Österreich hätten Männer in Mauthausen und Frauen und Männer in Auschwitz gebetet, gehofft, Seelsorge geübt und Gottesdienst im Geheimen gefeiert. „Sie haben den einen Leib Christi in einem Geist und in einer Hoffnung bezeugt und gelebt“, sagte der Bischof. Zuvor hatten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes auch das Konzentrationslager in Auschwitz besucht und der Opfer des Nationalsozialismus gedacht.

Lernen aus der Geschichte bedeute auch, jene Menschen in Erinnerung zu behalten, „die durch ihr Zeugnis Gottes Güte und Barmherzigkeit leuchten haben lassen und die Hoffnung auch in düsteren Zeiten nicht verloren gehen ließen”, meinte Chalupka. Dort, wo heute „die Leiber von Kindern, Frauen und Männern der Gewalt zum Opfer fallen, dort, wo Menschen verletzt, verwundet und getötet werden, wie gerade in der Ukraine und anderen Kriegsgebieten dieser Erde, dort sind wir aufgerufen, an die Seite der Opfer zu treten im Gebet, in der Hilfe für Flüchtlinge und bei der Hilfe zur Gegenwehr“.

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