Schwestern

 
von Evangelischer Pressedienst

Maria Katharina Moser über eine besondere Beziehung

Heute wird in den USA der „national sisters day“, der Tag der Schwestern begangen. Leider nur in den USA, wie ich finde. Aber vielleicht bekommt der „Schwestern-Tag“ ja irgendwann auch hierzulande ähnliche Aufmerksamkeit wie der Muttertag oder der Vatertag. Verdient hätten es die Schwesternbeziehungen allemal. Auch Psychologie und Soziologie beforschen Mutter und Vater, kaum aber Schwestern; man spricht sogar von einer „Schwesternlücke“ in der Wissenschaft.

Das Bild, das wir im Allgemeinen von „der Schwester“ haben, ist entweder die idealisierende, romantische Vorstellung von der Schwester als Vertrauter, die immer da ist. Oder aber wir verbinden die Schwesternbeziehung mit Neid und Rivalität.

In der Bibel kommt ein Schwesternpaar prominent vor: Maria und Martha. Jesus ist bei den beiden Schwestern zu Gast, wird erzählt. Martha ist ganz davon in Anspruch genommen, Jesus zu bewirten und zu umsorgen. Maria hingegen sitzt zu Jesu Füßen und hört ihm zu. Das scheint Martha zu ärgern. Jesus soll Maria sagen, sie solle ihr, Martha, helfen, findet sie. Jesus erkennt an, dass Martha viel Sorge und Mühe hat, aber er kommt ihrem Wunsch nicht nach. Maria hat das gute Teil gewählt, sagt er.

Durch die Kirchengeschichte wurde diese Stelle so verstanden, dass Maria die bessere Wahl getroffen habe. Dass Maria für die vita contemplativa, für das ruhige Hören des Wortes, für das Geistige stehe – und Martha für die vita activa, für die rastlose Sorge um das Alltägliche, für Werke. Das geistige Leben wird als höherwertig betrachtet – Maria hat den besseren Teil gewählt. Die beiden Schwestern werden in ein Neid- und Konkurrenzverhältnis gepresst.

Wer die Geschichte so versteht, liest sie durch die Vorurteils-Brille. Wenn wir genauer hinschauen, sehen wir: Marthas Tun wird mit griechisch diakonein beschrieben, mit Dienst am Nächsten. Maria sitzt zu Jesu Füßen, ein Fachausdruck für Schülerin des Rabbi sein. Beides, das Hören des Wortes und der Dienst am Nächsten, sind zentrale christliche Grundhaltungen. Eine, die nicht in die Vorteilsfalle getappt ist, war die mittelalterliche Mystikerin Teresa von Àvila, sie schreibt: „Glaubt mir, Martha und Maria müssen beisammen sein, um den Herrn beherbergen zu können.”

Es sagt viel über das Schwestern-Bild aus, wenn Maria und Martha als Konkurrentinnen wahrgenommen anstatt in ihrer Verschiedenheit geschätzt werden. Der heutige Schwesterntag ist eine Einladung zu sehen, was das Schöne an Schwestern ist: Schwestern sind zugleich verschieden und verbunden.

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