Generalsynode setzt Schritte hin zu einer geschlechtergerechten Leitungskultur

 
von Evangelischer Pressedienst

Oberkirchenrätin Bachler: „Von gerechter Verteilung der Verantwortung erschreckend weit entfernt“ – Projektgruppe präsentierte Ergebnisse und Forderungen

Wien (epdÖ) – Obwohl es in der Evangelischen Kirche seit dem Synodenbeschluss von 1980 die rechtliche Gleichstellung von geistlichen Amtsträgerinnen und Amtsträgern gibt, wurde eine geschlechtergerechte Ausgewogenheit in Leitungsämtern, insbesondere auf der Ebene der Superintendent:innen, nicht realisiert. Mehrere Maßnahmen sollen künftig dafür sorgen, dass in der Evangelischen Kirche eine ausgewogene Repräsentanz von Frauen in Leitungsämtern Realität wird.

Der Generalsynode wurden dazu am Samstag, 1. Juli, in Wien mehrere Forderungen präsentiert. Sie sind das Ergebnis aus der Arbeit der Projektgruppe „Gendergerechte Leitungskultur“, die die Synode 2021 unter der Leitung von Oberkirchenrätin Ingrid Bachler eingerichtet hatte. „Die Gleichstellung von Männern und Frauen schreitet in Österreich nicht langsam voran, sie schreitet zurück“, sagte die Oberkirchenrätin vor der Generalsynode. Trotz der rechtlichen Gleichstellung von Frauen im geistlichen Amt „sind wir von einer geschlechtergerechten Verteilung von Verantwortung und Einfluss noch überraschend oder erschreckend weit entfernt“, konstatierte Bachler. Es gäbe viel zu wenige ordinierte Frauen oder überhaupt Diversität in Leitungsfunktionen.

Für die Oberkirchenrätin geht es dabei nicht um die Frage, was denn Frauen noch an Unterstützung bräuchten, „damit sie in unseren Wahlverfahren erfolgreich sind“. Die Frage sei vielmehr: „Was entgeht unseren Kirchen an Innovation, an Ideen, an Erfolgen, an Sichtbarkeit nach Innen und Außen, wenn sie auf die verstärkte und sichtbare Repräsentanz der Frauen in Führungspositionen so einfach verzichten?“

Firmen, die auf Diversität verzichten, seien wirtschaftlich weniger erfolgreich. Das treffe auch auf die Kirche zu, ist die Oberkirchenrätin überzeugt. Extrem homogenen Führungsriegen fehle es – in der Wirtschaft ebenso wie in der Kirche – an Anpassungsfähigkeit und korrektiven Elementen.

Recht mit Leben erfüllen

Ausgewogene Repräsentanz sei kein Selbstzweck, das Recht müsse „mit Leben erfüllt“ werden, meinte Martin Fischer von der KPH, der als Mitglied der Projektgruppe den ersten Teil der Forderungen präsentierte. Um diese Ausgewogenheit zwischen Frauen und Männer zu realisieren, brauche es „Selbstreflexion und Maßnahmen“, hier gehe es auch um ein „unverzichtbares Alleinstellungsmerkmal“ der Evangelischen Kirche nach außen.

Nach den Vorschlägen des Projektteams sollen künftig in der Gemeindevertretung, im Presbyterium, im Superintendentialausschuss und in der Synode die Geschlechter im Verhältnis 40:60 vertreten sein. Bei Nominierungen für ein geistliches oder weltliches Leitungsamt als Superintendent:in, Superintendentialkurator:in, Bischof/Bischöfin, Synodenpräsident:in und Oberkirchenrat/Oberkirchenrätin soll zumindest eine Frau bzw. ein Mann nominiert werden.

Weil nach wie vor strukturelle Bedingen es Frauen erschweren, sich auf eine Führungsposition zu bewerben, sollen verstärkt in den verpflichtenden Mitarbeiter:innengesprächen individuelle Entwicklungspotentiale angesprochen und gefördert werden. Chancen auf Förderungen sowie Weiterbildungsangebote zur Vorbereitung auf Führungspositionen sollen verstärkt genutzt werden. Stellenbeschreibungen sollen um Funktionsbeschreibungen ergänzt und verstärkt erforderliche Softskills angeführt werden.

Vielfalt stärkt Glaubwürdigkeit

Nominierungsausschüsse der Superintendentialversammlungen sollen künftig bei Wahlvorschlägen auf ausgewogene Repräsentanz achten und für Vorbereitung und Durchführung der Wahl zuständig sein. Weiters schlägt das Projektteam verpflichtende Potentialanalysen und Hearings vor einer Bewerbung für Leitungspositionen vor sowie ein zweistufiges Wahlverfahren aus Hearing und Wahlversammlung. Auf Wunsch soll jeder Person, die sich der Wahl stellt, in der Vorbereitungsphase auch ein Coaching angeboten werden.

„Geschlechtergerechtigkeit und Vielfalt stärken die Glaubwürdigkeit der Evangelischen Kirche“, unterstrich die Gleichstellungsbeauftragte Edda Böhm-Ingram, ebenfalls Mitglied der Projektgruppe, und verwies dabei auf ein der Generalsynode vorliegendes Papier der Theologin Clarissa Breu. Dort wird dargestellt, warum Geschlechtergerechtigkeit auch ein theologisches Anliegen ist. „Wir wären noch glaubwürdiger, wenn wir auch nach außen darstellen könnten, wie wir dieses Thema berücksichtigen“, führte Böhm-Ingram weiter aus. Dazu soll ein professionelles Gleichstellungs-Monitoring den Status Quo als auch die Entwicklung der Gleichstellung empirisch erfassen und jährlich analysieren.

Die Generalsynode hat den Bericht der Projektgruppe angenommen, die Umsetzung der rechtlichen Maßnahmen soll nun im Rechts- und Verfassungsausschuss bzw. Kirchenpresbyterium vorbereitet und der nächsten Generalsynode zur Beschlussfassung vorgelegt werden. Die Umsetzung des Gleichstellungs-Monitorings wurde an den Oberkirchenrat A.u.H.B. verwiesen, und auch die Evangelische Jugend will ihren Bereich im Monitoring erfassen.

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