Maturaträume
Michael Chalupka über einen Schulabschluss ohne Furcht und Beschämung
Hoffentlich haben die, die dieser Tage mündliche Matura haben, nicht schlecht geträumt. Ich habe schon lange nicht mehr von der Matura geträumt. Bei mir war es die Mathematik, die mich jahrelang verfolgt hat und schweißgebadet aufwachen ließ. Aber wer kennt sie nicht, die Träume, auf einmal vor der Kommission zu stehen und sich an nichts mehr erinnern zu können oder kein Wort rauszubringen, obwohl das Hirn und das Herz voll sind mit all dem, was man in den letzten Wochen gestrebert hat? Das Ritual der Matura hat vielen von uns schlimme Nächte beschert. Weil die Matura ein Augenblick der Bewährung ist, wenn man es positiv ausdrückt, aber auch ein Moment der Beschämung sein kann, wenn man es von der anderen Seite sieht.
In der Bibel gibt es ein Bild für das Reich, in dem Gerechtigkeit herrschen wird und Beschämung keinen Platz mehr haben wird. Da heißt es: „Und das Herz der Unvorsichtigen wird Klugheit lernen, und die Zunge der Stammelnden wird fließend und klar reden.“ Andersrum gesagt: Niemand soll sich mehr vor einem öffentlichen Auftritt fürchten müssen, jeder gilt zuerst einmal als klug. Es wäre ein Ziel für jeden Schulabschluss, dass er ohne Furcht und Beschämung auskommt und keine Alpträume gebiert. Dann werden wir alle besser schlafen. Und allen, die sich in diesen Tagen zur Maturaprüfung aufmachen werden, sei gesagt: Ihr werdet fließend und klar reden, und bald habt ihr es hinter euch.