Die Kraft der Tränen

 
von Evangelischer Pressedienst

Michael Chalupka über den weinenden, Mensch gewordenen Gott

„Männer weinen heimlich. Männer brauchen Zärtlichkeit“, sang Herbert Grönemeyer in seinem zur Hymne gewordenen Lied „Männer“ schon vor Jahrzehnten. Aber Geschlechterrollen sind langlebig. Tränen sind kein Attribut von Männlichkeit. Auch wenn Heulsusen männlich und weiblich sein können, ist es kein Zufall, dass „Heulsuse“ weiblich ist und aus einem abwertenden Synonym für das Wort “weinen” und einem weiblichen Vornamen gebildet werden.

Jesus hingegen hat öffentlich geweint, so erzählen es uns die Evangelien. Ob er hingegen gelacht hat, darüber haben sich die Gelehrten des Mittelalters gestritten, denn darüber findet sich nichts in der Schrift. Daraus sehen wir, dass die Erwähnung seiner Gefühle den Evangelisten wichtig ist und nicht zufällig geschieht.

Jesus weint aus Zorn und Trauer, aus Liebe und Mitgefühl. Der Tod des Lazarus treibt ihm die Tränen in die Augen, aus Wut über das Leiden und Sterben, aus Zuneigung zu einem Freund und aus Mitgefühl mit den Hinterbliebenen.

Jesus, von dem die Christinnen und Christen glauben, dass Gott in ihm Mensch geworden ist, weint nicht heimlich. Er wendet sich nicht ab und verbirgt nicht sein Gesicht. Er weint und zeigt sein Mitgefühl. Seine Tränen sind kein Zeichen einer Verzweiflung, die in die Apathie führt und ihn daran hindert, das Nötige zu tun. Sondern er zeigt Empathie, Mitgefühl. Er leidet mit den Leidenden und weint mit den Weinenden.

 

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