Sozial stark
Maria Katharina Moser über solidarisches und soziales Verhalten
„Ich bin nicht schwach, und sozial schwach bin ich schon gar nicht. Und als Frau ist man selten schwach, weil man meistens Kinder hat, oft auch Angehörige pflegt und daneben noch arbeiten geht – und trotzdem working poor ist. Deswegen würde ich sagen, wir sind sozial sehr stark“, sagt Martha Berger, Mindestpensionistin, die sich bei der Armutskonferenz engagiert.
Sozial bedeutet „das Zusammenleben der Menschen in Staat und Gesellschaft betreffend; auf die menschliche Gemeinschaft bezogen, zu ihr gehörend; dem Gemeinwohl dienend; die menschlichen Beziehungen in der Gemeinschaft regelnd und den [wirtschaftlich] Schwächeren schützend“. So steht es im Duden. Folgt man dieser Definition, dann sind sozial schwach diejenigen, die den Armen aus der Armut helfen könnten, es aber nicht tun.
Die Bibel weiß um dieses Problem. Das Markus-Evangelium erzählt von einem Mann, der zu Jesus kommt. Läuft herbei, kniet nieder, enthusiastisch und erwartungsvoll spricht er Jesus an: „Was soll ich tun, damit mir das ewige Leben zuteil wird?“ Er ist ein frommer Mann. Er hält sich an die Gebote, tut genau das, was einen frommen Mann zur damaligen Zeit ausgezeichnet hat. Jesus erkennt das voll und ganz an, er sieht den Mann an und gewinnt ihn lieb – und fordert ihn: „Eines fehlt dir. Geh hin, verkaufe alles, was du hast, und gib’s den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben, und komm, folge mir nach!“ Das überfordert den Mann, er wird unmutig und mutlos und geht traurig davon.
Diese Szene ist provozierend und schwer zu verdauen. Auch für die Jünger, die sie beobachten. Sie erschrecken. „Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher ins Reich Gottes komme“, erklärt ihnen Jesus. Da erschrecken die Jünger noch mehr und fragen, wer dann überhaupt selig werden könne. „Bei den Menschen ist’s unmöglich, aber nicht bei Gott; denn alle Dinge sind möglich bei Gott“, antwortet Jesus. Gottes Gerechtigkeit ist immer anders, als wir Menschen uns das so vorstellen. Das ist tröstlich. Und dennoch bleibt der Anspruch Jesu: Schau hin! Armut ist ein Skandal. Sie widerspricht dem Reich Gottes. Tu was! Sei solidarisch! Sei sozial!
Solidarisch und sozial zu sein beginnt damit, Menschen mit Armutserfahrungen nicht geringschätzig zu betrachten und als „sozial schwach“ abzuwerten. Denn: „Was uns fehlt, ist Einkommen oder die finanziellen Mittel, weil Armut ist das Verhältnis zwischen Einkommen und Ausgaben“, so Martha Berger. „Wir haben genau solche Fähigkeiten wie andere in der Gesellschaft auch.“