Aushalten und Bleiben

 
von Evangelischer Pressedienst

Maria Katharina Moser über die Begleitung am Sterbebett

„Mein herzensguter Opa liegt im Sterben und ist so richtig abgrundtief gemein zu allen. Es ist kaum auszuhalten“, sagt Rosa. Wenn Rosa davon erzählt, stellen andere Vermutungen an, warum der Großvater sich so verhalten könnte. Wegen der Schmerzen und Medikamente. Weil er es der Familie leichter machen will, ihn gehen zu lassen. Oder einfach, weil er Angst hat. Einige meinen auch, Rosa werde ihn nicht so gemein in Erinnerung behalten, sondern so, wie er wirklich war. Aber das sei nicht ihre Sorge, sagt Rosa: „Gute und andere Erinnerungen gibt es viele aus 39 gemeinsamen Jahren. Meine Oma trifft es hart, und mir fällt das Aushalten und Bleiben auch schwer.“

Rosa spricht aus, was viele Menschen bewegt, die einen Angehörigen in den letzten Tagen und Stunden begleiten: Es ist schwer auszuhalten.

Ich höre das immer wieder bei Trauergesprächen. Es ist für Angehörige schwer auszuhalten, wenn sie einen geliebten Menschen auffordern „Iss doch!“, aber der da im Sterben liegt, will nicht mehr essen. Es ist schwer mitanzusehen, wie der Lebenswille schwindet und ein geliebter Mensch aufhört, um sein Leben zu kämpfen. Genauso ist es schwer auszuhalten, wenn sich ein Sterbender verzweifelt ans Leben klammert und nicht gehen kann. Die Rasselatmung, verbunden mit längeren Atempausen, ist kein Zeichen für Atemnot, trotzdem ist sie für Angehörige quälend, macht Angst. Immer wieder kommt es vor, dass jemand kurz aus dem Sterbezimmer geht – und wenn er oder sie zurück kommt, ist der geliebte Mensch tot und die Frage „Habe ich ihn/sie in ihren letzten Minuten alleine gelassen?“ beginnt zu nagen.

Die Bibel weiß, wie schwer das Aushalten und das Bleiben im Angesicht des Todes ist. Bevor er gefangen genommen wird, geht Jesus in den Garten Gethsemane, um zu beten. Wissend, was ihm bevorsteht. Er nimmt seine Jünger mit. „Meine Seele ist betrübt bis an den Tod“, sagt er zu ihnen, „bleibt hier und wachet mit mir!“ Jesus entfernt sich ein Stück von den Jüngern, fällt auf die Knie und fleht Gott an, diesen Kelch an ihm vorüber gehen zu lassen. Als er zu den Jüngern zurück kommt, sind sie eingeschlafen. Sie haben sich, könnte man sagen, in den Schlaf geflüchtet.

Das Bleiben ist schwer. Diese Erfahrung ansprechen und mit-teilen zu können, ist tröstlich. Die Kirchen bieten auch Rituale, die in solchen Tagen tragen können: Krankensalbung, Abendmahl am Sterbebett, Psalmen beten, klagend vor Gott bringen, was kaum auszuhalten ist. Im Vertrauen darauf, dass wir das können: bleiben. Weil wir das schwer Auszuhaltende Gott sei Dank nicht alleine aushalten müssen.

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