Wunsch zum neuen Jahr
Maria Katharina Moser hofft auf ein vermehrtes Miteinander in Krisenzeiten
„Gesehen werden ist ein Grundbedürfnis. Genau wie Essen, Trinken oder Schlafen“, hat Pfarrerin Julia Schnizlein letzte Woche an dieser Stelle geschrieben. Und sie hat die Jahreslosung, den biblischen Leitvers für 2023, zitiert: „Du bist ein Gott, der mich sieht.“ (Gen 16,13)
Diesen Satz sagt Hagar, eine Magd, die schlecht behandelt wurde und wegläuft. Die junge Frau irrt allein und schwanger durch die Wüste, da erscheint ihr an einem Brunnen Gottes rettender Engel. Gott sieht Hagar in ihrer Not.
Gott sieht uns. Gott sieht jeden und jede von uns gerade in seiner bzw. ihrer Not. Die heurige Jahreslosung ist mir hilfreich und tröstlich. Die Aussichten sind 2023 nicht gerade rosig. Der Krieg gegen die Ukraine geht unvermindert weiter. Die Teuerung trifft viele Menschen ins Mark ihrer Existenz. Dann ist da noch die Klimakrise. Und die vielen ganz persönlichen Nöte, die Menschen treffen – Trennung, Tod eines geliebten Menschen, Krankheit, Pflegebedarf.
Neulich schrieb mir Frau N. von ihrer Not: „Ich bin äußerst sozial, habe selber Flüchtlingen viel geholfen, doch nun in Zeiten wie diesen muss man auch mal die andere Seite beleuchten. Ich bin 56 Jahre alt, Pflege meine 95jährige Mutter, habe alleine mein Elternhaus zu erhalten und bin seit 13 Jahren selbstständig mit einer Massagepraxis. Ich war heuer drei Wochen krank, davor hatte ich eine Woche Urlaub für Haus und Garten, das heißt ich habe vier Wochen keinen Cent verdient, und wir Einzelpersonenbetriebe bekommen erst nach 42 Tagen Krankheit 25 Euro pro Tag!“
Ich kann Frau N. gut verstehen. Sie möchte, dass ihre Probleme wahrgenommen werden. Zurecht. Aus ihren Zeilen spricht das Gefühl, übersehen zu werden. Was auch aus ihren Zeilen spricht: eine Art Konkurrenz der Nöte. Das beobachte ich öfters. Viele haben das Gefühl, dass die gesellschaftliche Aufmerksamkeit anderen gilt und dass sie selbst zu kurz kommen. Das liegt daran, dass Menschen in Not gegeneinander ausgespielt werden. „In der Krise muss jeder auf sich selber schauen“, wird verkündet. Das macht mir Sorgen.
Ich glaube, gerade wenn die Nöte mehr werden, ist es wichtig, dass wir aufeinander schauen – und die, die es gerade leichter haben, auf die, die es gerade schwer haben. Wir kommen als Menschen nicht allein und mit ausgefahrenen Ellenbogen durch die Welt und schon gar nicht durch Krisen. Das schaffen wir nur miteinander. Ich wünsche mir eine Gesellschaft, in der jede Not ernst genommen wird. Ich wünsche mir für 2023, dass wir uns anstecken lassen von Gottes Aufmerksamkeit, der jeden und jede einzelne sieht.