Wer braucht schon Kirche?
Julia Schnizlein über gute Gründe, in der Kirche zu bleiben
„Ich brauche keine Kirche, um religiös zu sein!“ „Ich sehe nicht ein, für meinen Glauben zu bezahlen!“ „Ein guter Mensch bin ich auch ohne diesen Verein…” Im Internetforum einer heimischen Tageszeitung haben Menschen unlängst die Motive für ihren Kirchenaustritt erklärt. Das Kalkül der Rechtfertigung folgt dem Motto: Brauch ich nicht, weg damit.
Was mir dabei zu kurz kommt, ist der Blick über den eigenen Tellerrand. In der Kirche geht es nicht um Nutzen oder Dienstleistung. Es geht um mehr als nur um uns selbst! Es geht um die Vermittlung einer Botschaft, die seit Jahrhunderten für Menschen Glaube und Hoffnung bedeutet: Die Botschaft einer besseren Welt. Einer Welt, in der Nächstenliebe nicht mit Schwäche gleichgesetzt, Mitgefühl nicht als „Gutmenschentum“ abgewertet wird. Eine Welt, in der Wertschätzung herrscht – auch für Tier und Natur, weil alles von Gott geschaffen ist. Das ist die Botschaft vom Reich Gottes.
Für dieses Reich Gottes setzen sich die christlichen Kirchen ein. Nach Außen und nach Innen. Gegenüber den Mächtigen und genauso in Gottesdiensten, im Religionsunterricht, in Seelsorge und Diakonie. Die Kirche ringt um eine bessere Welt und will zugleich Anker sein, in unsicheren Zeiten. Sie steht für den Erhalt von christlichen Werten und Traditionen, die unsere Kultur seit Jahrtausenden geprägt haben. Ohne sie zu kennen, würden wir Musik, Literatur und Kunst nicht verstehen.
Wie überall, wo Menschen am Werk sind, geschehen dabei Fehler. Umso wichtiger ist es, der Kirche als einer der ältesten Institutionen der Menschheit nicht den Rücken zu kehren, sondern sie von innen heraus zu verbessern. Denn ohne eine Solidargemeinschaft, die sie trägt und ihre Dienste finanziell unterstützt, kann Kirche nicht existieren.
Und wie eine Welt ohne Kirche aussähe, hat sich der durchaus kirchenkritische Schriftsteller Heinrich Böll einmal vorgestellt: „Selbst die allerschlechteste christliche Welt würde ich der besten heidnischen vorziehen, weil es in einer christlichen Welt Raum gibt für die, denen keine heidnische Welt je Raum gab: für Krüppel und Kranke, Alte und Schwache.“ Nur eine christliche Welt hat „Liebe für die, die der heidnischen wie der gottlosen Welt nutzlos erschienen und erscheinen“.