Riedl: „Bei Flüchtlingsschutz in Europa keine Lösung in Sicht“
Treffen europäischer Hilfsorganisationen in Wien
Treffen europäischer Hilfsorganisationen in Wien
Wien (epdÖ) – „Im Flüchtlingsschutz ist in Europa keine Lösung in Sicht“, sagt der Flüchtlingsexperte der Diakonie, Christoph Riedl. Bei einer Pressekonferenz des europäischen Flüchtlingsrates ECRE anlässlich des Endes der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft und der bevorstehenden EU-Wahlen sowie drei Jahre nach Schließung der sogenannten Balkanroute resümierten Riedl und VertreterInnen mitteleuropäischer NGOs die Flüchtlings- und Asylpolitik der europäischen Regierungen. „Heute sind wir in einer Situation, wo Seenotretter unter größter persönlicher Gefahr für ihr Leben vor Gericht gestellt werden und Haftstrafen befürchten müssen. Sie retten aber nicht nur Menschen im Meer, sie retten auch die Ehre und Würde jedes Europäers auf dem Kontinent“, fand Riedl drastische Worte. Die Kriminalisierung von Rettungsmissionen im Mittelmeer verurteilte Riedl scharf und zog den Vergleich zu den Flüchtlingsbewegungen während des Zweiten Weltkrieges, auf die die Genfer Flüchtlingskonvention reagierte: „Heute ist der Schutz von Flüchtlingen aber eine völkerrechtliche Verpflichtung.“ Zuletzt aufgekommene Vorschläge von Flüchtlingslagern in Nordafrika hält Riedl für unrealistisch: „Wenn Europa es nicht einmal schafft, innerhalb der Union zu einer solidarischen Verantwortungsteilung zu kommen, braucht es nicht über Aufnahmezentren außerhalb Europas nachzudenken.“
„Politik der Deals mit windigen Partnern“
Karl Kopp von Pro Asyl Deutschland kritisierte eine „Politik der Deals“ im Flüchtlingsbereich. Statt zu einer gemeinsamen Asylpolitik zu gelangen hätte sich die österreichische EU-Ratspräsidentschaft „windige Partner außerhalb Europas gesucht, die es mit den Menschenrechten nicht so ernst nehmen“, meinte Kopp und verwies auf Abkommen mit der libyschen Küstenwache. „Die Mitgliedsstaaten sind heillos über die Flüchtlingsaufnahme und Verteilung zerstritten, aber sehr schnell einig bei der Abwehr und der Externalisierung der Verantwortung.“ Im Vorfeld der Europa-Parlamentswahlen müsse es darum gehen, die Essenz des Projekts Europa zu verteidigen.
In Tschechien, der Slowakei oder Ungarn gebe es auf Grund der restriktiven Vorgehensweise kaum mehr Flüchtlinge, wies Martin Rozumek von der tschechischen Organisation OPU auf die Situation der österreichischen Nachbarländer hin. Die Verantwortung sei auf Deutschland und die Balkanländer abgeschoben worden. Die Europawahlen wolle man nutzen, um auf die Problematik aufmerksam zu machen, aber auch, um die tschechische Bevölkerung überhaupt zur Teilnahme zu bewegen. „Dafür haben wir die Unterstützung von Schauspielern und Sportlern bekommen. Wir wollen über ein gemeinsames Europa reden.“
Kritik an „Push-Backs“ an Außengrenzen
Das System der „Push-Backs“, der Zurückweisung von Menschen, noch bevor sie um Asyl ansuchen können, prangerte Aniko Bakonyi vom Hungarian Helsinki Committee an. In Ungarn sei das gängige Praxis, andere Länder zögen nach: „Damit wird der Zugang zu einem rechtsstaatlichen Verfahren in Europa völkerrechtswidrig verweigert.“ Oft seien diese Push-Backs von Gewalt gegenüber Flüchtlingen begleitet.
„Wenn wir über Flüchtlingsschutz sprechen, dann müssen wir auch über Asylberatung sprechen“, betonte Adriana Romer von der Schweizerischen Flüchtlingshilfe. In der Schweiz wird am 1. März ein neues Asylwesen eingeführt, das die Verfahren signifikant beschleunigen soll. Ein Großteil der Verfahren solle dann innerhalb von 140 Tagen abgeschlossen sein, der Rest binnen eines Jahres. Begleitet werden die Flüchtlinge dabei von Organisationen, die Erfahrung in der Rechtsberatung aufweisen. Das sichere zum einen die Qualität der Bescheide, fördere aber auch die Akzeptanz bei negativen Entscheidungen. In jedem Fall sei raschere Klarheit über den eigenen Asylstatus zu befürworten.
Dem europäischen Flüchtlingsrat ECRE, der aktuell in Wien tagt, gehören nach eigenen Angaben rund 100 Mitglieder an, darunter die Diakonie Österreich.