Nikolaus Schneider plädiert für eine lebensdienliche Haltung

 
von Evangelischer Pressedienst

Auftakt der Europäischen Toleranzgespräche zum Thema „Ethik des Genug“

Villach (epdÖ) – Zu deutlich schärferen Worten im Hinblick auf das „Genug“ hat der evangelische Theologe Nikolaus Schneider zum Auftakt der Europäischen Toleranzgespräche ermutigt. Gleichzeitig betonte er, wie wichtig es sei, im Dialog zu bleiben und eine „lebensdienliche Lebenshaltung“ einzunehmen. Der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD) machte auch kein Hehl daraus, dass es zu so einem komplexen Thema: „Wachstum am Ende – Was jetzt?“, keine einfachen Antworten gebe. Schneider widmete sich am Mittwoch, 24. Mai, in Villach dem Thema „Ethik des Genug“.

Im Gespräch mit der ORF-Journalistin Renata Schmidtkunz betonte er, dass der Mensch als Teil der Schöpfung eine bestimmte Verantwortung habe. Laut Bibel soll er für Wachstum sorgen und sich die Erde untertan machen, gleichermaßen aber auch die Erde bebauen und bewahren. Diese beiden Aufträge geraten heute in Konkurrenz zueinander. „Wie wird das konkret gelebt in Verantwortung vor Gott?“, so eine der herausfordernden Fragen.

Zum Begriff Ethik meinte der ehemalige Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, dieser Begriff „verweist darauf, dass Menschen in Verantwortung vor die Aufgabe gestellt sind, nicht nur sachgerecht, sondern menschengerecht zu wirken“. Sein Appell: „Wir sollten uns an einer Ethik des Genug orientieren! Die Ethik des Genug zielt darauf, dass Menschen ein lebenswertes Leben gelingt.“ Statt sich einer „tagesaktuellen Gier auszuliefern“ gelte es, sich nach ethischen Vorgaben zu richten: „Nehmen Sie eine Lebenshaltung ein, die lebensdienlich ist!“

Schärferer prophetischer Ton

Schneider verwies auch auf die Propheten des Alten Testaments, die von Gott berufen vor Unheil gewarnt haben. Im Hinblick auf die Kirche von heute meinte er, er frage sich „ob wir nicht einen schärferen prophetischen Ton aufnehmen sollten“. So wie einst etwa Jeremia, der klare Worte fand: „Hört auf, die Welt schönzureden!“ Schneider gab zu, er sehe sich nicht legitimiert, er habe auch keinen Ruf Gottes gehört so wie die Propheten der Bibel. Aber „was wir von ihnen lernen können ist die Klarheit der Sprache. Die meisten Propheten sind gescheiterte Figuren. Aber sie waren Zeugen der Wahrheit Gottes.“ Deutliche Worte fand Schneider etwa zum Turbokapitalismus, der – im Gegensatz etwa zu einem Kind, das langsam und gesund heranwächst – auf schnelles Wachstum aus ist. „Ein rein finanzgetriebener Kapitalismus wird die Erde unbewohnbar machen, weil er ethisch blind ist“, warnte Schneider, weil er nur darauf orientiert sei, maximale Gewinne zu erzielen.

Evolution oder Revolution

Auf die Frage von Schmidtkunz, ob er den Weg der Evolution oder der Revolution bevorzuge, antwortete der frühere höchste Repräsentant der Evangelischen Kirche in Deutschland, er sei für einen evolutionären Prozess. Revolution könne zu keinen vernünftigen Ergebnissen kommen. „Wir müssen viele Menschen gewinnen“, betonte Schneider. „Unsere Kraft ist die Kraft der Überzeugung. Es ist der Versuch, Menschen durch Argumente zu gewinnen.“ Man könne niemanden zu einem genügsamen Lebensstil zwingen, sondern nur dazu einladen. Wenn sich viele Menschen an vielen Orten in dieselbe Richtung bewegen, könne sich etwas verändern.

Bei der Ethik des Genug gehe es nicht um die Frage „Was habe ich davon?“, sondern darum, „wie leben wir miteinander?“ Aus der Liebe Gottes könne man das Leben miteinander gestalten. „Es gehört dazu, die Liebe zu leben und zu pflegen.“ Zur Frage, was die Kirche anbieten könne, bzw. was die Stärke des Glaubens sei, antwortete der vielfach ausgezeichnete Theologe unmissverständlich, die Stärke sei „der Schatz des Evangeliums, den wir predigen müssen!“

Unter dem Titel „Wachstum am Ende – Was jetzt?“ werden bei den Europäischen Toleranzgesprächen vom Donnerstag, 25., bis Samstag, 27. Mai, im Kärntner Bergdorf Fresach ethische wie ökologisch-ökonomische Perspektiven aufgezeigt. Über 30 Expert*innen aus Philosophie und Religion, Wirtschaft und Wissenschaft stellen sich der Debatte.

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