„Migration ist eine Quelle zum Reichtum“

Die Botschafterin Schwedens spricht in der Lutherischen Stadtkirche

 
von Martina Schomaker
Die schwedische Botschafterin Helen Eduards in der Lutherischen Stadtkirche
Die schwedische Botschafterin Helen Eduards in der Lutherischen Stadtkirche

Helen Eduards weiß, wie es ist, fremd in einem Land zu sein. Sie ist die schwedische Botschafterin in Österreich und lebt seit 2015 in Wien. Auf dem „Evangelischen Kirchentag Wien“ am Donnerstag, 15. Juni, in der Lutherischen Stadtkirche forderte die Politikerin, Zufluchtsorte in Europa besser auszubauen und geflohene, schutzbedürftige Menschen „vollständig an der Gesellschaft teilhaben zu lassen.“

„Wir, Frauen und Männer, müssen unsere Stärken in der Gesellschaft zusammenlegen und dürfen niemanden ausschließen. Und wir müssen damit fortfahren, Inspiration von außen einzuholen“, sagte Eduards in der evangelisch-lutherischen Stadtkirche vor den rund 200 Festgästen. „Gut organisiert, ist Migration eine Quelle zum Reichtum. Es ist wichtig, dass unsere Länder, gemeinsam mit anderen, für ein System arbeiten, welches Menschen auf der Flucht einen Zufluchtsort in Europa bietet.“ Die Festgemeinde unterstrich die Worte der Botschafterin mit lang anhaltendem Applaus.

Eduards war auf Einladung des Pfarr-Teams der Lutherischen Stadtkirche (Pfarrerin Ines Charlotte Knoll und Pfarrer Wilfried Fussenegger) in den Festgottesdienst zum „Evangelischen Kirchentag Wien“ gekommen, den die Evangelischen der Pfarrgemeinde Wien-Innere Stadt gemeinsam mit der evangelisch Schwedischen Gemeinde organisierten. Im Anschluss an den Gottesdienst feierten die Evangelischen mit Gästen, Nachbarn und Freunden ein buntes Fest in der Kirche und vor der Kirche. Dafür wurde ein Teil der Dorotheergasse für den Verkehr gesperrt. Das ausgefeilte, „bilaterale“ Programm begeisterte die Gäste: Ein Matineekonzert, ein Vortrag mit Diskussion, ein schwedisch-österreichisches Sing- und Dance-Along, ein ganztägiges Kinderprogramm sowie ein Flohmarkt mit Orgelpfeifen-Verkauf stand auf dem Programm.

 

Mehr zum Evangelischen Kirchentag Wien, sprich zum Gustav-Adolf-Fest lesen Sie hier: Gustav-Adolf-Fest Wien 2017

Die gesamte Rede lesen Sie hier:

"Sehr geehrte Damen und Herren,

Vielen Dank für die Einladung in die Lutherische Stadtkirche. Es ist mir eine große Freude, heute an diesem Festtag in meiner Funktion als Botschafterin Schwedens zu Ihnen zu sprechen.
Meine Reise durch das Leben hat mich nach Wien geführt. Jetzt bin ich Gast in Österreich. Als Schwede fühlt man sich hier willkommen. Für jemanden der neu hier ist, braucht es natürlich Zeit, das Land und die Kultur kennenzulernen. Aber man bekommt Hilfe von den Österreichern! Und das ist etwas, das wir mit den Österreichern gemeinsam haben: Gastfreundschaft und Offenheit jenen gegenüber, die zu Besuch kommen, ein Interesse für das Umfeld und für andere Kulturen und Erfahrungen.
Österreich und Schweden haben vieles gemeinsam, worauf man stolz sein kann: Demokratie, Wohlfahrt, eine Gesellschaft, die jeden Menschen respektiert – unabhängig von Herkunft, Geschlecht und sexueller Orientierung. Wir haben viel erreicht. Eine wichtige Erklärung für unsere Erfolge liegt in unserer Offenheit dem Umfeld gegenüber.

Viele von den großen Herausforderungen der Welt brauchen eine Zusammenarbeit über die Landesgrenzen hinaus. Eine solche Herausforderung sind die globalen Klimaveränderungen. Es ist ganz eindeutig, dass wir Menschen durch unser Handeln das Klima beeinflusst haben und dass die Erderwärmung gestoppt werden muss. Gerade in diesen Zeiten ist es besonders wichtig, dass wir in Europa an unserem Engagement für das Klima festhalten! Und es ist unser Engagement, Ihre und meine Taten, welches die Grundlage für Veränderung bildet. Das ist eine Frage, die unsere Politiker alleine nicht lösen können. Sie brauchen eine starke Unterstützung vom Volk, von der sie sich inspirieren lassen können!   

Wie mit der Umweltfrage ist es auch mit vielen anderen wichtigen Fragen in der Gesellschaft: keiner kann alles machen, aber alle können etwas machen. Fortschritt machen wir nur mit Hilfe eines offenen Verstands, Erfindungsreichtum, der Möglichkeit, alle zu Wort kommen zu lassen und teilzuhaben. Wir Frauen und Männer müssen unsere Stärken in der Gesellschaft zusammenlegen und dürfen niemanden ausschließen. Und wir müssen damit fortfahren, Inspiration von außen einzuholen.
Sowohl in Österreich als auch in Schweden ist ein bedeutender Teil der Bevölkerung außerhalb des Landes geboren. Wenn man in der Geschichte zurückgeht, waren Migration – Auswanderung und Einwanderung – immer ein Teil in der Entwicklung unserer Länder. Gut organisiert, ist Migration eine Quelle zu Reichtum.  

Es ist wichtig, dass unsere Länder, gemeinsam mit anderen, für ein System arbeiten, welches großen Mengen von Menschen auf der Flucht vor Krieg und Unterdrückung einen Zufluchtsort in Europa bietet. Zum ersten müssen wir uns dafür einsetzen, dass Menschen gar nicht erst zur Flucht gezwungen werden. Zum anderen haben wir eine Verantwortung, sowohl jenen Schutz zu gewähren, die ihn wirklich brauchen, als auch jenen, die Schutz benötigen, vollständig an der Gesellschaft teilhaben zu lassen.

Wir, die heute an diesem Vormittag hier versammelt sind, haben unterschiedliche Reisen hinter uns. Die meisten konnten ihr Ziel selbst wählen und die Dauer der Reise bestimmen. Wir haben wundervolle Vorteile aus einem friedlichen, demokratischen, offenen und wohlhabenden Europa gezogen. Und das müssen wir bewahren!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Festtag."

Die schwedische Botschafterin Helen Eduards in der Lutherischen Stadtkirche in Wien

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