Im Gespräch – „Wenn ich einmal nicht mehr bin“
Maria Katharina Moser über das Sprechen vom eigenen Tod
Über Geld spricht man nicht. Und noch weniger übers Sterben. Daher hatte ich gemischte Gefühle, als Frau S. mit einem Wunsch an mich herantrat. Frau S. wollte mit mir über ihr Testament sprechen. Sie will das Engagement unserer Kirche für Kinder, die Hilfe brauchen, unterstützen und zu diesem Zweck der evangelischen Diakonie eine namhafte Summe vermachen. Frau S. ist über 80, und es geht ihr gesundheitlich nicht gut. Als ich das erfuhr, war ich überwältigt von ihrer Großzügigkeit, aber auch ein wenig erschrocken.
Im Nachdenken über diese Situation ist mir ein anderes Gespräch eingefallen. Unsere Gemeinde-Sekretärin und ich haben über diesen speziellen Ordner links oben im Regal in der Pfarrkanzlei gesprochen. „Wünsche für Beerdigungen“ steht darauf, und im Ordner sind Unterlagen von einzelnen Gemeindemitgliedern, in denen festgehalten ist, wie ihre Verabschiedung gestaltet werden soll: was mit der Bestattung vereinbart ist (Kosten inklusive); Liedwünsche; der Lieblingspsalm, der gebetet werden soll. Unsere Sekretärin bekommt ein mulmiges Gefühl, wenn ihr Blick auf diesen Ordner fällt. Ob man nicht wenigsten etwas anderes außen drauf schreiben könne, hat sie gefragt. Ich verstehe dich, habe ich geantwortet, aber ich würde das gern so lassen. Ich finde gut, wenn sich Menschen zu Lebzeiten mit diesen Fragen beschäftigen, schließlich wird das Sterben oft verdrängt in unserer Gesellschaft. Und das macht nichts besser oder leichter, im Gegenteil.
„Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden“, bittet der Beter Gott in Psalm 90, einem biblischen Text, der die Angst vor der Vergänglichkeit ins Gebet bringt. Aus diesen Zeilen spricht die Erkenntnis, dass das Sterben zum Leben gehört. Es ist die letzte große Herausforderung in unserem Leben, vielleicht sogar die größte. Zu dieser Herausforderung gehört für viele Menschen die Sorge, was sein wird, wenn sie selbst nicht mehr sind: Wie werden die Menschen, die mir lieb sind, mit der Situation zurechtkommen? Was kann ich klären, damit sie es nicht klären müssen nach meinem Tod und darüber vielleicht sogar in Streit geraten? Zur Sorge, was sein wird, wenn ich nicht mehr bin, gehört auch die Sorge um Geld und Besitz. Es ist gut, dass sich Frau S. mit dieser Frage beschäftigt, dann hat sie eine Sorge weniger, wenn ihre Kräfte nachlassen, denke ich mir. Auf zum Gespräch!
Frau S. erzählt mir, dass sie schon alle Formalitäten geklärt hat. Wir sprechen über ihr Leben und darüber, was sie in ihrem Leben alles gemeistert hat. Es ist ein gutes Gespräch – und es gibt keinen Grund, erschrocken zu sein.
Dr. Maria Katharina Moser ist Direktorin der Diakonie Österreich. Kontakt: *protected email*