Im Gespräch – „Weihnachten mit Gefühl“
Ingrid Tschank über ein Fest, das zu Herzen geht
Ingrid Tschank über ein Fest, das zu Herzen geht
Rudi freut sich auf Weihnachten. Er liebt den immer gleichen Ablauf, die Geborgenheit, die für ihn darin liegt und die beleuchteten Straßen und Häuser. Rosie ist jedes Jahr angespannt, zu viele Erwartungen und Wünsche, zu viel Essen und Trinken, zu viele Termine. Jakob ist ein echter Weihnachtsfreak. Der Duft, die Atmosphäre, der Christbaum, der Gottesdienst, die Lieder, die Familie und die Freunde. „Weihnachten berührt mich und rührt mich“, erzählt er mir. „Für mich ist das schön und richtig. Es ist ja eine kostbare Zeit im Jahr und eine besondere, eine heilige Zeit. Im Advent beginne ich mich einzustimmen, zumindest bemühe ich mich darum, auch wenn es nicht immer leicht ist im Alltagsgetriebe. Dann kommt der Heilige Abend, und ich stehe jedes Mal wieder staunend und ehrfürchtig vor dem Geschehen der Heiligen Nacht.“
Immer wieder freuen sich Menschen über Weihnachten, lassen sich anstecken vom Jubel der Engel – und ihre Herzen werden offen und weit. Es ist gut, dass Weihnachten ein gefühlvolles Fest ist. Denn die Gefühle haben sonst oft nur wenig Raum. Im Beruf müssen sie versteckt werden. In der Familie dürfen sie manchmal auch nur verhalten gezeigt werden. Auch sich selbst gegenüber verbieten sich Frauen und Männer oftmals wirklich wahrzunehmen, wie es ihnen geht. Und so ist das Weihnachtsfest auch die Gelegenheit, das zu erneuern, wonach sich Menschen sehnen: sich gehalten und geborgen zu fühlen, innere Wärme und Freude zu spüren und erfüllt zu sein von Liebe und Hoffnung. Es gehört auch Ehrfurcht dazu, Staunen und Respekt, weil Gott uns so viel schenkt. Aber Weihnachten ist nicht nur etwas zum Fühlen, es ist auch etwas zum Denken und Handeln. Gott ist Mensch geworden, er bleibt nicht länger in seiner himmlischen Ferne, er gibt seine göttliche Einsamkeit auf, wird Mensch und lebt unter ihnen: glücklich, verzweifelt, sterblich und doch göttlich.
Weihnachtsgefühle wollen in die Tat umgesetzt werden, denn sie sind nur ein Anfang, wie ein Same, der gelegt wird um zu wachsen und Früchte hervor zu bringen. Ob etwas großes daraus wächst, dass wird erst am Ende aller Zeiten erkennbar sein.
Die Liebe ist der Maßstab für den Alltag. Dass das nicht immer leicht ist und es ohne Scheitern nicht geht, wissen alle nur allzu gut. Gotteskinder sind stets am Anfang, tragen noch die Kinderschuhe. Die Schritte der Liebe sind allesamt klein. Da wird auch gehumpelt und gestolpert – dem großen Liebesschritt hinterher, den Gott an Weihnachten auf die Menschen zu gemacht hat. Aber besser humpeln und stolpern als gefangen im eigenen Ich. Ein Weihnachten, das zu Herzen geht und berührt, das zur Nächstenliebe ermutigt, das wünsche ich allen über diese Festtage hinaus.
Mag. Ingrid Tschank ist Pfarrerin in Gols. Kontakt: *protected email*
Jeden Sonntag sind Pfarrerin Maria Katharina Moser, Vikarin Julia Schnizlein und Pfarrerin Ingrid Tschank in der „Krone bunt“ – Kolumne „Im Gespräch“ zu lesen. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von krone.at