Fischer: „Identitätswunde“ der Evangelischen liegt wieder offen

 
von Evangelischer Pressedienst
Die Verfolgungsgeschichte der Evangelischen dürfe nicht als "alter Hut" abgetan werden, warnt der Theologe Martin Fischer. Foto: epd/Uschmann
Die Verfolgungsgeschichte der Evangelischen dürfe nicht als "alter Hut" abgetan werden, warnt der Theologe Martin Fischer. Foto: epd/Uschmann

Diskussion um Karfreitag an Evangelisch-theologischer Fakultät

Wien (epdÖ) – Das Verhältnis der Evangelischen Kirche zum Staat sei „schon besser gewesen“, die „Identitätswunde“ der Evangelischen in Österreich liege wieder offen dar: Deutliche Worte zur Situation der protestantischen Minderheit im Land hat der Theologe Martin Fischer gefunden. Bei einer Vortrags- und Diskussionsveranstaltung zum Dauerbrenner Karfreitag warnte Fischer, der im Kultusamt für die Evangelischen Kirchen, protestantische Freikirchen und religiöse Bekenntnisgemeinschaften zuständig ist, am Donnerstag, 13. Juni, an der Evangelisch-theologischen Fakultät der Universität Wien davor, die Verfolgungsgeschichte der Evangelischen in Österreich als „alten Hut“ abzutun und damit die Abschaffung des Karfreitags als Feiertag zu legitimieren. Dessen Einführung im Jahr 1955 war gerade durch die jahrhundertelange Verbots-, Vertreibungs- und Verfolgungsgeschichte der Protestanten in Österreich begründet worden. Fischer warf in seinem Vortrag aber auch einen demographischen Blick auf die „religiöse Großwetterlage“ in Europa und Österreich und stellte die Frage, inwiefern im Kontext säkularer und pluralistischer Staaten Privilegien für religiöse Gemeinschaften – und ein solches war der freie Karfreitag für Evangelische und Altkatholiken – noch zu rechtfertigen seien.

Fischer plädierte dafür, die Situation religiöser Menschen nicht mit der nichtreligiöser gleichzusetzen: „Ungleiches muss ungleich behandelt werden“, so der Theologe. Die Reduktion der Feiertagsfrage auf arbeitsrechtliche Aspekte blende vieles aus: „Ein religiöser Feiertag ist per definitionem kein Urlaubstag, das sollte nicht nur theologisch klar sein“, so Fischers Seitenhieb auf die aktuell gültige Regelung, derzufolge ArbeitnehmerInnen ein „persönlicher Feiertag“ zusteht, der aber aus dem bestehenden Urlaubskontingent zu bestreiten ist. Die Art und Weise, wie diese Lösung in der – nunmehr ehemaligen – Regierung zustande gekommen sei, kritisierte Fischer scharf: „Das Kultusamt war nicht in die Diskussion eingebunden.“

Krömer: Evangelische nie gehört

Synodenpräsident und Rechtsanwalt Peter Krömer, der für die Evangelische Kirche derzeit selbst an rechtlichen Schritten gegen die Neuregelung des Karfreitags arbeitet, schloss sich dem an. Er hält bereits das Zustandekommen des Urteils des Europäischen Gerichtshofs, das letztlich zur Lösung mit dem „persönlichen Feiertag“ geführt habe, für fragwürdig. Die Evangelische Kirche sei in der Sache nie gehört worden, da sie nicht als Betroffene anerkannt worden sei. Zudem seien vonseiten der Republik falsche Auskünfte“ über den Rechtsanspruch auf Dienstfreistellung für religiöse Feiern gemacht worden, so Krömer. Verschärft werde die Neuregelung nun noch für Beamte: Auf Grund einer im Parlament beschlossenen Dienstrechtsnovelle können diese auch dann zum Dienst eingeteilt werden, wenn sie ihren persönlichen Feiertag angemeldet hätten – dann nämlich, wenn es die Umstände erfordern. Bei Polizeibediensteten im Straßenverkehr ist das zum Beispiel rund um Feiertagswochenenden der Fall. Dann aber verlieren die Beamten den Anspruch, ihren persönlichen Feiertag an einem anderen Tag einzulösen.

Schwarz: Geschichte des Karfreitags eng mit Konkordat verbunden

Der Kirchenrechtler und -historiker Karl Schwarz – Vorgänger von Martin Fischer im Kultusamt – sieht eine enge historische Verknüpfung der Karfreitagsdebatte mit dem Konkordat der Republik Österreich und dem Vatikan. Die Nachkriegssituation, in der um den Karfreitag parallel zum Marienfeiertag am 8. Dezember gerungen wurde, sei geprägt gewesen von der Diskussion, ob das Konkordat nach der Eingliederung Österreichs in das Deutsche Reich noch Gültigkeit besitze. Hier hätte es Unterschiede in der Auffassung gegeben, ob Österreich von Nazi-Deutschland „okkupiert“ oder „annektiert“ worden sei – in letzterem Fall wären alle völkerrechtlichen Verträge, und damit auch das Konkordat, dass die „katholischen“ Feiertage regelte, hinfällig gewesen. Dazu kam es aber nicht: Der Staatsvertrag hätte im wesentlichen die Okkupationstheorie übernommen. Damit konnte Mariä Empfängnis am 8. Dezember wieder zum Feiertag gemacht werden. Als „Geste der Anerkennung für die Minderheitenkirche“ konnten die evangelischen Abgeordneten Karl Spielbüchler und Bruno Pittermann (SPÖ) dann per Initiativantrag den Karfreitag als Feiertag für Evangelische und Methodisten durchbringen. „Die österreichische Karfreitagsregelung von 1955 bedeutete eine gesellschaftspolitische Wertschätzung, die die juristische Gleichstellung durch das Protestantengesetz von 1961 gewissermaßen vorwegnahm“, so Schwarz.

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