Fachtagung evaluierte Islamgesetz
Vural: Kultusgesetz und kein Sicherheitsgesetz – Chalupka: Novellierungen waren „alarmierende Kulturbrüche“
Wien (epdÖ) – Mit der Evaluierung des Islamgesetzes aus unterschiedlichen Perspektiven befasste sich eine Fachtagung, zu der die Islamische Glaubensgemeinschaft Österreich (IGGÖ) am Montag, 21. November, in die Diplomatische Akademie in Wien geladen hatte. Die Geschichte des Islams in Österreich sei in Europa einzigartig, betonte eingangs der Präsident der IGGÖ, Ümit Vural. Das Islamgesetz von 1912 habe für alle Musliminnen und Muslime Kultusfreiheit garantiert. Massive Probleme ortet der Präsident jedoch bei den Novellierungen des Islamgesetzes 2015 und 2021. Die Novellierung 2015 sei von wirtschaftlichen und politischen Konflikten auf der ganzen Welt und vom Erstarken des sogenannten „IS“ überschattet gewesen. Das Krisennarrativ, so der Präsident, sei kulturell konnotiert und Ängste aus politischen Gründen geschürt worden. „Von Musliminnen und Muslimen als selbstverständlicher Teil der Gesellschaft in Österreich wollte damals keiner sprechen, sie wurden eher als Gefahr gesehen, die eine versteckte Agenda in einer Parallelgesellschaft verfolgen“, meinte Vural. Die Novellierung 2015 sei geprägt von einem Generalverdacht, von Kontrolle und Sanktionen unter dem Schlagwort des Kampfes gegen den sogenannten politischen Islam. Sie hätte „gravierende, nicht akzeptable Eingriffe in den geschützten Religionsbereich“ gebracht.
Vural kritisierte, dass die Novellierung 2015 ohne Einbindung der Religionsgemeinschaft und im Kontext eines Terroranschlags erfolgt sei, das Islamgesetz sei jedoch „ein Kultusgesetz und kein Sicherheitspolizeigesetz“. „Extremismus hat in unseren Reihen keinen Platz“, unterstrich der Präsident. Er wünscht sich konstruktive Kritik und will dafür eintreten, „dass Musliminnen und Muslime ihr verfassungsmäßig garantiertes Grundrecht auf Religionsfreiheit ausüben und praktizieren können“, denn das sei „nicht mehr selbstverständlich“.
Bei der Fachtagung brachten Vertreterinnen und Vertretern anderer Religionsgemeinschaften ihre Perspektive auf das Islamgesetz ein. Der evangelisch-lutherische Bischof Michael Chalupka verglich dabei das Islamgesetz mit dem Protestantengesetz von 1961. Während dieses einen Grundton des „Respekts und Vertrauens“ erkennen lasse, weise das Islamgesetz „Zeichen von Misstrauen und Vorbehalten“ auf. Sowohl die Novellierung 2015 als auch jene von 2021 stellten „alarmierende Kulturbrüche“ dar, die alle Religionsgemeinschaften betreffen, ist Chalupka überzeugt, denn „wenn eine Religionsgemeinschaft schlecht behandelt wird, spüren das am Ende alle anderen Religionsgemeinschaften“. Er trage die Hoffnung, dass „vieles aus dieser Zeit aufgearbeitet wird“, das Thema des Karfreitags sei „genauso zu reparieren“ wie das Islamgesetz, um zu einer „Kultur des Miteinanders zurückzukehren“.
Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde in Linz, Charlotte Herman, plädierte dafür, früh mit der Aufklärung über andere Religionen zu beginnen, um noch immer herrschende Vorurteile abzubauen. Dafür sei Dialog notwendig, Unterschiede erlebe sie als „positiv und nicht verängstigend“.
Dass „trotz aller berechtigten Kritik“ am Islamgesetz Österreich ein religionsfreundliches Land im Vergleich zu vielen Herkunftsländern sei, daran erinnerte der stellvertretende Vorsitzende der Alevitischen Glaubensgemeinschaft, Riza Sari. „Wir müssen gemeinsam darüber nachdenken, was wir einfordern, aber auch was unsere Bringschuld ist“, meinte der stellvertretende Vorsitzende. Die Novellierung 2021 sei auch für die Alevitische Glaubensgemeinschaft „ein Schock“ gewesen.
Bei der Fachtagung referierten Expertinnen und Experten aus dem religionsrechtlichen Bereich. Der frühere Ministerialrat im Kultusamt, Karl Schwarz, ging in seinem Vortrag auf die Rolle des Kultusamtes in historischer Perspektive ein.