Evangelischer Bund zum Verhältnis von Christsein und Staatsgewalt

 
von Evangelischer Pressedienst

Theologe Weist: „Obrigkeiten werden nicht mehr als gottgegeben hingenommen“

Wels (epdÖ) – Dem oftmals spannungsgeladenen Verhältnis von Christsein und Staatsgewalt hat sich am Samstag, 23. September, der Evangelische Bund Österreich in seiner Jahrestagung 2023 gewidmet. Theologinnen und Theologen befassten sich mit dem als Frage formulierten Thema, „Muss ich heute als Christ:in ein:e gute:r Staatsbürger:in sein?“. Rund 20 Teilnehmer:innen versammelten sich im Cordatushaus der Evangelischen Pfarrgemeinde Wels zu diesem Studientag.

In seiner einführenden Bibelarbeit machte sich Pfarrer i.R. Christoph Weist unter dem Titel „… auch um des Gewissens willen“ Gedanken über Verse im 13. Kapitel des Römerbriefs, wo es heißt: „Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit außer von Gott; wo aber Obrigkeit ist, ist sie von Gott angeordnet.“ Diese Sichtweise habe sich in den letzten Jahrzehnten „grundlegend und unumkehrbar geändert“, gab Weist zu Bedenken. „Ordnungen, insbesonders die Obrigkeiten und andere Institutionen, werden nicht mehr als gottgegeben hingenommen, sondern im geschichtlichen Wandel verstanden. Sie werden kritisch hinterfragt und verlieren damit, theologisch gesprochen, ihren Charakter als Gesetz.“

Unter dem Titel „Alle Staatsgewalt geht vom Volk aus“ näherte sich der Kirchenhistoriker Militärsuperintendent Karl-Reinhart Trauner dem Tagungsthema. Er erinnerte an die Verfassungsurkunde, wo es heißt: „Alle Gewalten gehen vom Volk aus.“ Er verwies auf die pointierte Sichtweise des österreichischen Verfassungsrechtlers Robert Walter, der meinte: „Vielmehr ergibt sich dies aus den Regeln über die Wahlen und die plebiszitären Elemente sowie die Ernennung von Organen und die Mitwirkung des Volkes bei der Strafgerichtsbarkeit.“ Aber, so der Militärsuperintendent, gerade beim Kirchenbeitrag und den Abgaberechten müsse der „Staat aufpassen, dass er den Bogen nicht überspannt und solcherart die auch im Abgaberecht geltenden Grundrechte mit Füßen tritt“.

Die theologische Referentin des Bischofs, Pfarrerin Eva Harasta, widmete sich unter dem Titel „Freier dankbarer Dienst an Gottes Geschöpfen. Evangelisch-österreichische Zugänge zum Thema Staatsgewalt“ dem Tagungsthema. Unter anderem betonte sie, dass „christliches Handeln immer politisches Handeln“ sei. Gerade der Aufruf zur Schöpfungsverantwortung bestärke Christinnen und Christen, sich aktiv einzubringen und Schwung für den Klimaschutz aufzubringen.

Der Evangelische Bund in Österreich ist ein freier Zusammenschluss evangelischer Christinnen und Christen und bemüht sich, den Geist der Reformation in allen Bereichen zu bezeugen. 1903 gegründet, hat er heute zirka 2.000 Mitglieder und unterstützt Vikarinnen und Vikare mit dem Ankauf von Gottesdienstbüchern und Agenden, hilft Gemeinden bei Bildungsangeboten und fördert die Herausgabe von Literatur, die sich mit Themen der Evangelischen Kirche befassen. Die Schriftenreihe „Standpunkte“ befasst sich mit Themen der Menschen in der Evangelischen Kirche. Einmal im Jahr findet ein Symposium zu einem aktuellen Thema statt.

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