Die Goldene Regel
„Von Gott und der Welt“ – Michael Chalupka über die Richtschnur christlichen Handelns
Die Goldene Regel kennt jede und jeder. Und es gibt sie in allen Religionen. „Was du nicht willst, dass man dir tut, das füg auch keinem andern zu!“, sagt sie in Form eines bekannten Sprichworts. Hielten sich alle daran, wäre schon viel gewonnen. Niemand will angeflegelt werden, niemand will Opfer von Gewalt werden und niemand seiner Freiheit beraubt werden. Doch im Sprichwort geht es nur darum, was nicht sein soll. In der Bergpredigt im Matthäusevangelium findet sich die Goldene Regel aber in ihrer positiven Form als Richtschnur christlichen Handelns. Positiv – und das ist die Formulierung der Bergpredigt – verlangt die Goldene Regel eine Initiative: „Alles nun, was ihr wollt, dass die Menschen euch tun, so tut auch ihnen!“ Der Unterschied zwischen negativer und positiver Formulierung ist wichtig. Die Bergpredigt verlangt, alle Menschen so zu behandeln, wie man selbst behandelt werden möchte. Und sie verlangt von allen, sich so zu verhalten. Im Evangelium wird das auch ganz praktisch ausgeführt. Niemand will hungern, deshalb sollen wir den Hungrigen zu Essen geben, niemand will durstig sein, deshalb sollen wir Dürstenden zu trinken geben, niemand will schutzlos sein, deshalb sollen wir die Fremden aufnehmen. Die Goldene Regel, wie sie das Christentum versteht, verlangt viel von ihren Anhängern und kann sie der Kritik aussetzen. Dass Christ sein immer einfach ist, hat Jesus nie versprochen.
Michael Chalupka ist evangelischer Pfarrer und Geschäftsführer der Diakonie Bildung. Kontakt: *protected email*