"Danke, dass ihr mich gehen lasst"

Letzte Superintendentialversammlung für Gisela Ebmer als Fachinspektorin für den Evangelischen Religionsunterricht

 
von Martina Schomaker
Superintendent Hansjörg Lein bedankt sich bei Gisela Ebmer für Ihr Engagement
Superintendent Hansjörg Lein bedankt sich bei Gisela Ebmer für Ihr Engagement

"Heute wollen wir unseren Dank und unsere Anerkennung gegenüber unserer Fachinspektorin Mag.a Gisela Ebmer aussprechen: Sie wird uns nach 11-jähriger hervorragender Tätigkeit leider verlassen", begann Superintendent Hansjörg Lein auf der Superintendentialversammlung am 22. April  seine Laudatio. Ebmer wird zum 1. September 2017 ihr Amt als Fachinspektorin für den Evangelischen Religionsunterricht an Allgemeinbildenden Höheren Schulen und Berufsbildenden Mittleren und Höheren Schulen an Dr. Katja Eichler übergeben.

"Seit 2006 hat sie ihre Funktion in der Leitung des Religionsunterrichts für den Höheren Schulbereich in Wien mit größtem Engagement, mit vielfältigen Sachkompetenzen und mit kommunikativer Umsicht ausgeübt und ist auch als geistliches Mitglied ihrer Reformierten Kirche in mehreren kirchlichen Gremien engagiert tätig", so Lein.

Auch Gisela Ebmer ergriff das Wort und verabschiedete sich aus dem Gremium der Superintendentialversammlung mit Dank und Kritik. Hier Ihre Abschiedsrede:

"Vielen Dank an den Superintendenten für seine Worte. Ich selber möchte mich verabschieden mit einigen Gedanken zum Thema Brennen für den Glauben in Bezug auf mein noch derzeitiges Amt: Ich habe spätestens seit meiner Konfirmation für den evangelischen Glauben gebrannt, war  später viele Jahre Presbyterin, bin seit mehr als 20 Jahren Synodenmitglied. Ich bin begeisterte Religionslehrerin. Vor 11 Jahren habe ich mich als FI beworben, weil ich kämpfen wollte für den Religionsunterricht. DirektorInnen und der Stadtschulrat sind da ziemlich willkürlich damit umgegangen, Gesetze haben nichts gegolten. Wo es willige Direktionen gab, blühte der Religionsunterricht, wo die DirektorInnen gegen die Kirchen waren, gab es Repressalien ohne Ende. Von der Kirche gab es kaum Unterstützung für uns LehrerInnen. Das wollte ich ändern. Ich habe erfolgreich gekämpft: Der Stadtschulrat hat nun eingesehen, dass er sich nicht einfach über Gesetze hinwegsetzen kann, dass Entscheidungen von uns hinterfragt werden, Transparenz gefordert ist. Er hat es ja nun inzwischen mit 16 Kirchen und Religionsgemeinschaften zu tun. Ich habe gelernt, mit wem ich im Stadtschulrat worüber reden kann. Das war keine leichte Aufgabe und auch der Stadtschulrat hat gelernt, dass er konkrete Ansprechpersonen nennen muss. Und das funktioniert jetzt fast reibungslos im AHS-Bereich. Im BHS-Bereich sind die AnsprechpartnerInnen inzwischen wegen Burnout und Frühpension nicht mehr vorhanden. Da ist es noch immer schwierig, über Religionsstunden zu verhandeln. - Aber ich verstehe jetzt wenigstens, warum. Die Leute im Stadtschulrat haben‘s auch nicht leicht und stehen unter enormem politischen Druck.

Ich habe gegenüber dem Stadtschulrat erkannt, dass eine sehr gut funktionierende Administration allen dort Beschäftigten das Leben sehr erleichtert. Sie kennen sich mit uns aus. Sie wissen, welche LehrerInnen wir haben, sie wissen, wie diese ausgebildet sind. Sie wissen, dass die Inhalte des Religionsunterrichts überprüft werden und keine Gefahr in Richtung Radikalisierung gegeben ist. Als Evangelische sind wir hoch geachtet. Sie haben korrekte SchülerInnenzahlen und Stundenanzahlen von uns, Meldungen von Karenzen, Wiedereintritten, Krankenstandvertretungen usw. Da bin ich überaus dankbar für die Arbeit meiner Mitarbeiterin im Schulamt, Helga Allacher, die eine sehr, sehr korrekte Sekretärin ist, sich mehr und mehr in Gesetze einarbeitet, mich auf anstehende Fragen aufmerksam macht, mit mir gemeinsam administrative Lösungen überlegt. Ohne sie hätte ich meine Arbeit sicher nicht so gut getan.

Also, den Kampf gegen Repressalien des Stadtschulrats, den ich vor 11 Jahren angetreten habe, habe ich gewonnen. Der SSR brennt zwar nicht für den evangelischen Glauben, aber die Mitarbeitenden dort verhalten sich sehr korrekt und meist auch sehr freundlich uns gegenüber.

Im Laufe der Jahre bin ich aber draufgekommen, dass mein Brennen für den Religionsunterricht nicht ausschließlich den Stadtschulrat als Gegner hat. Wie mich meine designierte Nachfolgerin gefragt hat, was die größte Herausforderung dieses Amts ist, habe ich spontan gesagt: Der Spagat zwischen Staat und Kirche.

Das Brennen für den Glauben macht mir in der Kirche immer mehr Probleme und ich frage mich und Sie: Für den Stadtschulrat war der Religionsunterricht immer ein lästiges Anhängsel, das viel Arbeit mit sich bringt und eigentlich egal ist.  Wie sehen das denn die Gemeinden? Immer mehr  habe ich in den letzten Jahren erlebt, dass auch für Gemeinden und PfarrerInnen der Religionsunterricht ein lästiges Anhängsel ist, das viel Arbeit bedeutet aber eigentlich nicht wichtig ist. Ich entschuldige mich hier bei allen, wo der Religionsunterricht und die Gemeindearbeit gemeinsam gut  funktionieren. Aber überall, wo eine Arbeits-Überlastung zustande kommt, ist das erste, was gekürzt oder gestrichen wird, der Religionsunterricht. Er ist lästig und scheinbar nicht so wichtig wie andere Dinge. Wieviel Akzeptanz bekommen eure PfarrerInnen dafür, dass sie 8 Stunden  Religionsunterricht halten plus 8 Stunden Vor- und Nachbereitung, was z.B. Maturavorbereitung bedeutet oder die Planung von Exkursionen und Lehrausgängen, aber auch unzählige seelsorgerliche Gespräche mit SchülerInnen, die ja meist auch Gemeindemitglieder sind. Gesteht ihr euren PfarrerInnen zu, dass sie 16 Wochenstunden für den Religionsunterricht arbeiten? Wenn ihr ehrlich seid, wahrscheinlich nicht. Und doch: Die vielen getauften aber kirchenfernen Evangelischen erreichen wir nur durch die staatliche Verpflichtung des Religionsunterrichts. Wenn es diese einmal nicht mehr gibt, dann sieht es traurig aus. Ich selber habe unzählige Kinder von Ex-SchülerInnen evangelisch getauft, weil durch meinen Religionsunterricht das Bedürfnis gewachsen ist, das Evangelische auch in die nächste Generation weiter zu tragen. Ich frage mich, wie viele von den etwa  7000 Kindern und Jugendlichen, die wir derzeit wöchentlich im RU betreuen, ohne diese staatliche Verpflichtung letztlich noch übrig bleiben würden als Mitglieder der Evangelischen Kirche, die ihren Glauben auch weitergeben wollen.

Ich muss ehrlich sagen, der Kampf für die Akzeptanz des  Religionsunterrichts gegenüber dem Staat ist mir halbwegs gelungen, aber die wenige Akzeptanz und Unterstützung des Religionsunterrichts innerhalb der Kirche haben mich als Fachinspektorin ausbrennen lassen in meinem Engagement, und ich freue mich sehr, dass meine Nachfolgerin um  fast 20 Jahre jünger ist und voller Elan. Sie hat noch viel Kraft, viel inneres Feuer und volles kirchliches Engagement als Kuratorin, in der Superintentialversammling und in der Synode. Und ich selber brenne trotzdem weiter: Im Unterricht mit meinen Schülerinnen und Schülern, die ich sehr  ins Herz geschlossen habe, wo mir jede einzelne Stunde riesen Freude macht, mich bereichert und in meinem eigenen Menschsein weiterbringt. Und vor allem die Arbeit mit den kirchenfernen, noch nicht religiös sozialisierten, Kindern finde ich besonders spannend, fordert mich heraus und  bringt mir persönlich wahnsinnig viel. Es wird zwar in den nächsten drei Jahren bis zu meiner Pensionierung sehr wenig Gehalt rausschauen für mich. Aber ich freue mich auf das LEBEN: Zeit, guten Unterricht zu machen, SchülerInnen in ihrem Leben zu begleiten, Zeit zum Saxophonspielen,   Zeit um mich zu bewegen, Zeit für meine Enkelkinder, Zeit zum Lesen, Zeit für meinen Garten, Zeit Freunde und Freundinnen zu treffen, Zeit mit meinem geliebten Mann Johannes. Danke, dass ihr mich gehen lasst, und Gottes Segen für Katja Eichler."

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