Chalupka: „Europa wird sozial sein, oder es wird nicht mehr sein“
Diakonie richtet Appell an österreichischen EU-Ratsvorsitz
Wien (epdÖ) – Anlässlich des bevorstehenden EU-Ratsvorsitzes Österreichs macht die Diakonie auf notwendige Sozialinvestitionen in Europa aufmerksam: „Europa wird sozial sein, oder es wird nicht mehr sein“, sagte Diakonie-Direktor Michael Chalupka bei einer Pressekonferenz am Mittwoch, 6. Juni, in Wien. Für die Akzeptanz der Europäischen Union in der Bevölkerung sei es notwendig, „sich von dem Bild, es gehe in der EU nur um wirtschaftliche Vorteile“, zu verabschieden. Europa müsse sozialer und erlebbar werden, denn nur so könne man dem vorherrschenden Wiederaufkommen des Nationalismus entgegenwirken. Chalupka: „Ich glaube daran, dass die Renationalisierung nur ein letztes Aufflackern ist, bevor wir zu einem geeinten Europa kommen.“ Der Schwerpunkt der österreichischen Bundesregierung – „Sicherung der Außengrenzen“ – könne nicht im politischen Fokus liegen. Es müsse vor allem auch um die „Stärkung der Europäischen Identität“ gehen.
Forderungen an EU-Ratsvorsitz
Konkret richtet die Diakonie vier Forderungen an die EU-Institutionen und den österreichischen Ratsvorsitz. Erstens sollten Sozialschutz und soziale Rechte mit den Grundfreiheiten des Binnenmarkts gleichrangig behandelt und der alleinige Fokus von Wirtschaftsfragen abgerückt werden. Zweitens gelte es, „starke lebensweltliche Indikatoren zu Gesundheit, Aufstiegschancen, Qualität der Jobs und zur sozialen Entwicklung“ zu implementieren. Drittens seien vermehrte Investitionen unter anderem im Bildungs- und Pflegebereich zu tätigen. Zur Umsetzung dieser Schritte plädiert die Diakonie viertens für die Einberufung eines Konvents für ein soziales Europa. Hier sollten unter anderem VertreterInnen von Zivilgesellschaft, Sozialpartnern sowie Exekutive und Legislative der EU sowie der Mitgliedsstaaten vertreten sein.
Katharina Wegner: „Große Erwartungen an Österreich“
Katharina Wegner, Europaexpertin der Diakonie Deutschland und Beauftragte bei der Europäischen Union, berichtete über aktuelle Entwicklungen aus Brüssel. „Man blickt mit großen Erwartungen nach Österreich, denn nächstes Jahr sind Europawahlen.“ Davor müsse noch der mehrjährige Finanzrahmen – davon betroffen ist auch der Sozialfonds, aus dem auch die europäische Diakonie Mittel bezieht – ausverhandelt und von Rat und Parlament einstimmig beschlossen werden. Dies gelte es durch Österreich voranzutreiben. Konkret fordert Wegner die Umsetzung der 2017 proklamierten „Europäischen Säule sozialer Rechte“, die eine Art politische Selbstverpflichtung der EU-Institutionen zur Umsetzung sozialer Rechte in den Mitgliedsstaaten darstelle und damit über das bisher vorherrschende Prinzip der Subsidiarität hinausgehe.
Am 1. Juli 2018 übernimmt Österreich entsprechend dem vorgesehenen Turnus für sechs Monate den Vorsitz im Rat der Europäischen Union. Der Rat ist das Organ, das die Regierungen der Mitgliedsstaaten vertritt. Hier treten die MinisterInnen aus den EU-Mitgliedsstaaten zusammen, um Rechtsakte anzunehmen und die Politik in ihren Zuständigkeitsbereichen abzustimmen.