Bischof Bünker: „Humanität fällt nicht vom Himmel“

 
von Evangelischer Pressedienst
Das Eingangsgebäude zum KZ Mauthausen. Foto: wikimedia/dnalor01/cc by sa 3.0
Das Eingangsgebäude zum KZ Mauthausen. Foto: wikimedia/dnalor01/cc by sa 3.0

Ökumenischer Gottesdienst zur Befreiung des KZ Mauthausen vor 74 Jahren

Mauthausen (epdÖ) – „Humanität fällt nicht vom Himmel. Sie muss erarbeitet, gebildet, erstritten, erkämpft werden.“ Das betonte der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker im Rahmen eines ökumenischen Wortgottesdienstes anlässlich der Befreiungsfeier in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen am Sonntag, 5. Mai. An dem Ort, an dem während der Herrschaft der Nationalsozialisten rund 100.000 Menschen ihr Leben verloren, zitierte Bünker den NS-Gauleiter von Thüringen, Franz Sauckel. Der hatte gemeint, man wolle „die letzten Schlacken unserer Humanitätsduselei“ ablegen. Sauckel, so Bünker, „wusste, wovon er sprach, denn er hielt sich nicht nur wie viele Nazis für einen der ‚Herrenmenschen‘, sondern setzte diese verbrecherische Überzeugung in die schreckliche Wirklichkeit um.“

Auch heute sei Humanität nicht selbstverständlich: „Wie bleibt man ein Mensch, wenn man ausgegrenzt wird, zum Sündenbock gemacht, mit Vorurteilen punziert und anonym einer Gruppe zugerechnet, der man alles Unglück zuschreiben kann?“ Jeder und jede sei unersetzlich und von unermesslichem Wert, so Bünker. Das erkenne man auch „am Namen, an der unverwechselbaren, einmaligen Person, die einen Namen trägt. Gott hat unser aller Namen in die Fläche seiner Hand geschrieben.“

Scheuer: „Verachtung signalisiert: Du bist für mich überflüssig“

Der römisch-katholische Bischof der Diözese Linz, Manfred Scheuer, warnte im Rahmen der Gedenkfeier vor der Verachtung von Menschen, die „anders“ sind. Dieses Prinzip sowie die Anmaßung absoluter Macht über Leben und Tod stehe oft an der Wurzel von Terror und Barbarei, sagte Scheuer. Der Nationalsozialismus habe „lebenswertes und lebensunwertes“ Leben definiert und selektiert, und es habe eine ökonomische Kosten-Nutzen-Rechnung im Hinblick auf die Ermordung Behinderter gegeben. „Verachtung signalisiert: Du bist für mich überflüssig, reiner Abfall und Müll, den es verwerten und dann zu entsorgen gilt, eine Null, ein Kostenfaktor, den wir uns nicht mehr leisten wollen“, verdeutlichte der Bischof.

Nikolitsis: „Bei Gott sind wir keine anonymen Nummern“

Der griechisch-orthodoxe Bischofsvikar und Erzpriester Ioannis Nikolitsis sagte in seiner Ansprache, die Auferstehung Christi werde „gründlich missverstanden“, halte man sie für ein nur einmaliges Geschehen und für einen Machtbeweis Gottes. Es gehe um die „Erlösung der ganzen Menschheit“, sichtbar auch daran, dass der auferstandene Jesus die über seinen Tod verängstigten Jünger nicht alleine gelassen habe, sondern auf sie zugegangen sei und sie beim Namen angesprochen habe. „Bei ihm sind wir keine anonymen Nummern, sondern immer konkrete Gegenüber, Menschen mit Leib und Seele“, verwies auch der orthodoxe Erzpriester auf das Gesamtthema der Gedenkfeier. Der christliche Glaube helfe dem Menschen dabei, aufmerksam mit einem „österlichen Blick“ auf die Wunden der Mitmenschen zu sehen.

Im Anschluss an den Gottesdienst fand am ehemaligen Appellplatz des Lagers eine gemeinsame Befreiungsfeier mit Gedenkreden von VertreterInnen nationaler Opferorganisationen aus Weißrussland, Luxemburg, Slowenien und Österreich statt. Das Schwerpunktthema der diesjährigen Feiern lautete „Niemals Nummer. Immer Mensch.“

Das ehemalige nationalsozialistische Konzentrationslager Mauthausen bestand seit 1938. In den folgenden Jahren wurden auf dem ganzen Gebiet Österreichs – der damaligen Ostmark – Außenlager errichtet, in denen Häftlinge vorwiegend für die Rüstungsindustrie eingesetzt wurden. HistorikerInnen gehen von insgesamt rund 200.000 Gefangenen aus, die bis Kriegsende in Mauthausen interniert waren, rund 100.000 Menschen kamen ums Leben. Im Mai 1945 wurden die verbleibenden Gefangenen von der US-Armee befreit.

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