Armutskonferenz startet neue Kampagne „Wir gemeinsam“
Plädoyer für starkes soziales Netz
Wien (epdÖ) – Das Bewusstsein für die Bedeutung eines starken sozialen Netzes stärken soll eine neue Kampagne der Österreichischen Armutskonferenz. „Wir wollen zeigen, dass wir gemeinsam stärker sind, als wenn wir uns spalten lassen“, sagte Martin Schenk, Mitbegründer des Netzwerks, bei der Präsentation am Dienstag, 10. April, in Wien. Schenk verdeutlichte: „Wo es ein gut ausgebautes Sozialsystem gibt, dort ist die Armutsquote gering, da vor allem die untere Mittelschicht gestützt wird. Die untere Mittelschicht ohne Vermögen und Rücklagen lebt so lange gut, solange Systeme des sozialen Ausgleiches existieren.“ Im konkreten Fall Österreichs reduziere sich durch Sozialausgaben das Risiko für Armutsgefährdung von 44 auf 13,9 Prozent, wie aktuelle Zahlen der Statistik Austria belegten. Die soziale Dimension umfasse dabei unter anderem die Bereiche Gesundheit, Wohnen, Bildung und Arbeit.
„Kürzungen kommen teuer zu stehen“
Judith Pühringer vom Netzwerk „arbeit plus – Soziale Unternehmen in Österreich“ strich vor allem drei arbeitsmarktpolitische Aspekte hervor: Erstens könne „Arbeitslosigkeit uns alle und jederzeit treffen“. Die Gefahr, den eigenen Arbeitsplatz wegen Alters oder eines Schicksalsschlages zu verlieren, sei für jeden und jede real. „Zweitens: Menschen wollen arbeiten, aber nicht alle können das zu den Bedingungen, die der Arbeitsmarkt von ihnen verlangt.“ Es brauche daher einen inklusiven Arbeitsmarkt, auf dem alle Platz haben. „Drittens: Gekürzt ist nicht gespart. Kürzungen kommen viele teuer zu stehen, bringen aber langfristig kaum Einsparungen, da zusätzliche Kosten für Arbeitslosengeld, Mindestsicherung, Notstandshilfe oder im Gesundheitsbereich anfallen.“ Pühringer nahm damit unter anderem auf die von der Regierung beschlossene Einstellung der „Aktion 20.000“ für ältere Langzeitarbeitslose Bezug.
„Wieder etwas zurückgeben“
Selbst betroffen ist Karl Frank. Auf Grund einer psychischen Erkrankung arbeitsunfähig, bekam der Mindestpensionist Hilfe bei der Hilfsorganisation „pro mente“, heute ist er dort selbst ehrenamtlich tätig: „Das Leben in Erwerbstätigkeit unterliegt einem starken Stress, das wirkt sich auf die Dauer negativ auf die Gesundheit aus.“ Hier müsse wirksame Prävention stattfinden. „Wir versuchen, Menschen zu stützen und zu unterstützen, wenn es nicht so läuft. Auch bei mir selbst war die Betreuung rettend, es gab Momente, in denen ich nicht mehr weiterwusste. Das Gute ist: Als Mensch kann man oft in eine bessere Phase eintreten, um wieder etwas zurückzugeben.“
„Sozialsystem wie ein Reserverad im Auto“
„Ich bin kein Leistungsträger im klassischen Sinn“, meinte Vera Hinterdorfer, engagiert bei der Plattform „Sichtbar werden“ für Menschen mit Ausgrenzungserfahrungen, „dennoch bemühe ich mich, meinen Teil zur Gesellschaft beizutragen und habe gerne ein Dach über dem Kopf.“ Die 33-Jährige sitzt von Geburt an im Rollstuhl, mittlerweile kann sie nicht mehr arbeiten. Niemand sei gerne arm, so Hinterdorfer, denn „Armut produziert Scham, sie isoliert“. Das Sozialsystem sichere hingegen die Bedürfnisse aller: „Dank derer, die in das Sozialsystem einzahlen, kann ich meine Bedürfnisse decken. Ich wünsche allen, dass sie dieses System nie brauchen, wie ein Reserverad im Auto: gut wenn es da ist, aber nicht gebraucht wird.“
Die Kampagne „Wir gemeinsam“ werde mit Plakatsujets und Postkarten an öffentlichen Orten, in Lebensmittelgeschäften, Sportvereinen oder Lokalen auf ihre Anliegen aufmerksam machen, kündigte Martin Schenk an. Viel Kommunikation werde auch „face to face“ erfolgen. Im Internet ist die Initiative unter www.wir-gemeinsam.at präsent.